Venus 01 - Piraten der Venus
Volkes nicht«, erwiderte ich, »aber Ihre Familie hat mich sehr freundlich behandelt, und das war das Geringste, was ich für Sie tun konnte.«
»Ich werde das niemals vergessen«, sagte er ruhig und versuch te sich zu erheben; aber ich mußte ihm aufhelfen. »Es wird mir bald besser gehen«, sagte er. »Ich muß nur ein wenig Bewegung haben. Die Wirkung des Targo-Giftes hält etwa vierundzwanzig Stunden an und läßt dann nach, doch je mehr ich mich vorher bewege, desto schneller komme ich zu mir.« Er blickte sich um, als versuchte er sich zu orientieren. Dabei fiel sein Blick auf seine Waf fen, die ich ihm ins Grab hatte legen wollen. »Sie haben auch meine Waffen mitgebracht?« rief er aus. »Du bist ja ein König un ter den Freunden!« sagte er und bot mir damit die vertrauliche Anredeform an.
Nachdem er sein Schwert gegürtet hatte, nahm er seinen Speer auf, und wir begannen nach einem Hinweis darauf zu suchen, daß wir uns irgendwo unter der Stadt befanden. Kamlot erklärte mir, daß die Bäume entlang der wichtigen Waldpfade markiert waren, ebenso wie die Bäume, die den Aufstieg zu der versteckten Stadt ermöglichten.
»Wir steigen nur selten zur Oberfläche Amtors hinab«, sagte er, »obwohl wir manchmal Handelsdelegationen aussenden, die zur Küste vorstoßen und dort Güter von Schiffen entgegennehmen. Wir stehen aber nur noch mit wenigen Völkern in Verbindung. Der Fluch des Thorismus ist überall wirksam, und es gibt unseres Wissens nur wenige Nationen, die seinem grausamen Einfluß nicht erlegen sind. Von Zeit zu Zeit steigen wir auch hinab, um den Basto zu jagen; er liefert ausgezeichnetes Leder und sehr viel Fleisch.«
»Was ist ein Basto?« fragte ich.
»Ein großes, allesfressendes Tier mit gewaltigen Kiefern, vier riesigen Hauern und zwei schweren Hörnern. In der Schulterhöhe überragt es einen Menschen. Ich habe schon Bastos getötet, die dreitausendsechshundert Tob schwer waren.«
Ein Tob ist die amtorische Gewichtseinheit und entspricht etwa hundertundfünfzig irdischen Gramm; alle anderen Gewichte auf Amtor werden in Tob oder entsprechenden Dezimalstellen ausge drückt, was mir viel vernünftiger vorkommt, als das Sammelsurium aus Gramm, Scheffeln, Unzen, Pfunden, Tonnen und anderen Größen, mit dem wir uns abmühen müssen.
Nach Kamlots Beschreibung stellte ich mir einen Basto als ein gewaltiges Wildschwein mit Hörnern vor – oder als einen Büffel mit den Fangzähnen und Klauen eines Raubtieres – , und ich machte mir klar, daß fünfhundert Kilogramm Lebendgewicht nicht zu unterschätzen waren. Ich fragte Kamlot, mit welchen Waffen die Vepajer auf dieses Tier Jagd machten.
»Einige nehmen Pfeile, andere ziehen Speere vor«, erklärte er mir, »aber in jedem Fall ist es gut, wenn man einen Baum mit nie drigen Ästen in der Nähe hat.«
»Sind sie sehr angriffslustig?«
»Sehr. Wenn ein Basto erscheint, kann es sehr oft vorkommen, daß der Mensch nicht der Jäger, sondern der Gejagte ist. Aber im Augenblick haben wir es ja nicht auf Bastos abgesehen. Ich würde viel lieber eine Markierung finden, die mir sagt, wo wir sind.«
Wir bewegten uns langsam durch den Wald und suchten nach den Wegzeichen der Vepajer, die Kamlot mir beschrieben hatte. Sie bestanden aus einem langen, scharfen Nagel mit flachem Kopf, auf dem eine Zahl eingeschnitzt war. Diese Nägel wurden stets in der gleichen Höhe über dem Boden in die Rinde eines Baumes geschlagen. Sie waren schwierig zu finden, aber die Vepajer mußten auch an ihre Feinde denken, die nicht darauf aufmerksam werden durften.
Die Nummern auf den Nägeln waren nach einem klugen Sche ma gestaltet und sagten jedem Vepajer, wo er sich gerade befand. Jeder Nagel wurde von einem Meßtrupp angebracht und auf einer Karte mit seiner Nummer eingezeichnet. Jeder Vepajer, dem der Abstieg zum Boden gestattet wurde, mußte vorher die Position sämtlicher Nägel in Vepaja auswendig lernen. Auch Kamlot hatte diese Schulung durchgemacht und sagte mir, daß er sofort unsere genaue Position und unseren Heimweg zur Stadt bestimmen könnte, wenn er nur einen einzigen Nagel fände. Er gab aber auch zu, daß es sehr lange dauern konnte, bis wir auf ein Zeichen stie ßen.
Der Wald veränderte sich nur wenig und ermüdete mich in sei ner Monotonie. Es gab Bäume verschiedenster Art; einige hatten Blätter, die bis auf den Boden herabhingen, bei anderen begannen die Äste erst in einigen hundert Metern Höhe. Es gab Stämme, die wie Glas schimmerten und die
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