Venus 01 - Piraten der Venus
erstaunlichen körperlichen Merkmale, so daß wir Sie nicht mehr für einen Thoristen halten. Die Frage, wer Sie sind und woher Sie kommen, bleibt allerdings nach wie vor offen.«
»Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt«, erwiderte ich, »und kann Sie nur noch bitten, die Tatsache zu berücksichtigen, daß die Wolkenmassen Ihren Ausblick behindern und Sie deshalb nicht wissen können, was sich dahinter verbirgt.«
Er schüttelte den Kopf. »Darüber brauchen wir nicht zu spre chen – es wäre sinnlos, die in Jahrtausenden gewonnenen wissen schaftlichen Erkenntnisse auf einen Schlag umstürzen zu wollen. Wir sind bereit, Sie als Angehörigen einer anderen Rasse zu ak zeptieren, wobei wir aufgrund Ihrer Kleidung vermuten, daß Sie aus Karbol kommen. Sie können sich frei in unserer Gemeinschaft bewegen, aber wenn Sie bei uns bleiben, müssen Sie sich den Sit ten und Gesetzen Vepajas beugen und für sich selbst sorgen. Was können Sie?«
»Ich möchte bezweifeln, daß ich mich mit den Vepajern messen kann«, gab ich zu. »Wenn man mir ausreichend Zeit gibt, könnte ich aber bestimmt etwas erlernen.«
»Vielleicht finden wir jemanden, der Ihre Ausbildung über nimmt«, sagte der Jong. »Bis dahin können Sie hier im Haus blei ben und Danus zur Hand gehen.«
»Wir können ihn auch zu uns nehmen und ihn unterweisen«, meldete sich Duran zu Wort, »wenn er beim Tarelsammeln und Jagen helfen möchte.«
Tarel ist die starke Faser, aus der das Seilwerk und die Klei dung der Vepajer besteht. Ich hielt die Tarelernte eigentlich für langweilig und uninteressant, aber der Gedanke, jagen gehen zu können, gefiel mir. Auf keinen Fall durfte ich Durans wohlgemeinte Einladung übergehen, da ich ihn nicht beleidigen wollte. Außer dem war mir alles willkommen, was mir helfen konnte, hier auf der Venus selbständig zu werden. Ich nahm daher sein Angebot an, verabschiedete mich von Danus, der mich einlud, ihn recht oft zu besuchen, und marschierte mit Duran, Olthar und Kamlot da von.
Da niemand den Zwischenfall mit dem Mädchen erwähnt hatte, nahm ich an, daß ich unbeobachtet geblieben war. Ich bedauerte nur, daß ich den Haushalt des Jong nun verließ.
Zum zweitenmal zog ich in Durans Haus ein; diesmal erhielt ich jedoch ein größeres und bequemeres Zimmer. Kamlot, der jüngere Bruder, nahm sich meiner an und führte mich sofort in eine kleine Waffenkammer, in der es zahlreiche Speere, Schwerter, Dolche, Bogen, Schilde und Pfeile gab. Vor einem Fenster erstreckte sich eine lange Werkbank, über der auf Regalen Material lag, das zur Herstellung von Waffen erforderlich war. In einer Ecke stand ein Amboß neben einer Esse, und dahinter waren verschiedene Bleche und Metallteile gelagert.
»Haben Sie schon einmal ein Schwert geführt?« fragte er mich.
»Ja, aber nur zur Übung«, erwiderte ich, »In meinem Land gibt es Waffen, die ein Schwert als Kampfmittel völlig nutzlos ma chen.«
Er bat mich um eine nähere Erläuterung und fand meine Beschrei bung irdischer Feuerwaffen sehr interessant. »Wir haben eine ähnliche Waffe in Amtor«, sagte er, »allerdings verfügen wir hier in Vepaja nicht darüber, denn das Rohmaterial, mit dem sie geladen wird, ist nur auf thoristischem Gebiet zu finden. Jedenfalls wird sie mit zwei Elementen geladen, deren Strahlen, wenn sie zusam mentreffen, eine tödliche Wirkung auf lebendes Gewebe haben. Es gibt mehrere Metalle, durch die diese Strahlung nicht zu drin gen vermag – zum Beispiel bieten die Schilde dort an der Wand einen guten Schutz. Ein kleiner Schieber aus einem ähnlichen Me tall trennt die beiden Elemente im Magazin der Waffe; erst wenn er entfernt wird, tritt die tödliche Strahlung ein. Diese Waffe wird jetzt gegen uns gerichtet«, fuhr er fort, »aber wir kommen recht gut aus mit dem, was wir haben, solange wir hier oben in den Bäumen bleiben.
Außer einem Schwert und einem Dolch werden Sie auch Pfeil und Bogen und einen Speer brauchen«, sagte er und begann verschiedene Waffen für mich herauszusuchen – zuletzt einen langen, schweren Wurfspieß. Am Schaft der Waffe war ein kleiner, drehbarer Ring befestigt, von dem eine lange, dünne Schnur mit einer Schlinge am anderen Ende ausging. Kamlot rollte die Leine, die kaum dicker war als gewöhnlicher Bindfaden, auf ganz besondere Weise zusammen und steckte sie in eine kleine Öffnung im Speerschaft.
»Wozu die Leine?« fragte ich, als ich die Waffe untersuchte.
»Wir befinden uns hier hoch oben in der Luft«, erwiderte er,
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