Venus 02 - Auf der Venus verschollen
natürliche«, sagte ein anderer Mann. »Außerhalb Amtors gibt es nur kochendes Felsgestein und Feuer.«
Die Welttheorie der Amtorier ist in ebenso undurchdringli che Nebel gehüllt wie ihr Planet. Die sprudelnde Lava der venusianischen Vulkane stammt in ihrer Einbildung aus einem gewaltigen See geschmolzenen Gesteins, auf dem Amtor schwimmt – eine riesige Scheibe. Und wenn die beiden dichten Wolkenschichten der Venus doch einmal aufreißen und die Amtorier die Strahlen der Sonne sehen und ihre verzehrende Hitze spüren können, fühlen sie sich in dem Glauben bestärkt, daß der ganze Himmel ein Feuermeer ist, das mit der ge schmolzenen, kochenden See unter ihrer Welt verschmilzt und sich nachts in Funken äußert.
Die Abenteuer der letzten Stunden waren zuviel für mich ge wesen; ich war fast am Ende meiner Kräfte. Das Kreischen des Hurrikans und das Rollen der SOFAL hatten mich aus dem Schlaf geweckt und nachdem ich von der gewaltigen Woge über Bord gespült worden war, hatte ich mit den Brechern einen Kampf ausgefochten, der einen weniger starken Mann erledigt hätte. An Land gespült, war ich auf der Suche nach Duare weit umhergeirrt und bei dem Kampf mit den haarigen Wilden hatte ich meine Kräfte weiter strapaziert.
Als ich fast nicht mehr weiter konnte, erreichten wir eine Hügelkuppe und vor mir breitete sich eine von einer Mauer umschlossene Stadt aus, die an der Küste lag, wo sich eine klei ne Schlucht zum Meer hin öffnete. Ich nahm an, daß wir unse ren Bestimmungsort Kapdor vor uns hatten und obwohl ich wußte, daß dort unten der Tod auf mich wartete, erfüllte mich doch eine gewisse Vorfreude, da ich annahm, daß ich hinter den gewaltigen Mauern zunächst etwas zu essen und zu trinken be kommen würde.
Wir betraten die Stadt durch ein gut bewachtes Tor und da zudem sämtliche Bürger bewaffnet waren, vermutete ich, daß Kapdor viele Feinde hatte. Daß zu dieser Bewaffnung nicht nur Schwerter und Dolche, sondern auch Pistolen gehörten, überraschte mich nicht; ich hatte bereits im Hause von Kam lots Vater Duran in der Baumstadt Kooaad damit Bekannt schaft gemacht. Die amtorischen Pistolen arbeiten mit einem tödlichen Strahl, der tierisches Gewebe vernichtet und sehr gefährlich ist.
Die Straßen Kapdors waren voller Menschen, die jedoch ir gendwie apathisch wirkten. Nicht einmal der Anblick eines blonden und blauäugigen Gefangenen erweckte Interesse. Sie kamen mir wie Lasttiere vor, die ihren langweiligen Pflichten nachgingen und keinerlei Anregung fanden. Es war vor allem dieser Menschenschlag, der Dolche trug, während die Männer mit den Schwertern und Pistolen offensichtlich einer anderen Klasse angehörten, die ich für die Soldatenkaste hielt. Sie schienen wacher und fröhlicher zu sein, weil sie es im Leben besser hatten; dagegen gab es kein Anzeichen dafür, daß sie intelli genter waren als die anderen.
Die Gebäude waren sehr schlicht und es gab nur wenige zwei- oder dreigeschossige Häuser. Zum größten Teil bestanden sie aus Holz, denn es gab sehr viele Wälder in diesem Teil Amtors, wenngleich die Bäume hier nicht so hoch zu sein schienen wie in Vepaja. Die Straße, durch die ich geführt wur de, war von einer Reihe von Steingebäuden gesäumt; doch ihre Architektur war einfach und phantasielos und sie wirkten wie Kästen.
Bald darauf wurde ich über einen offenen Platz in ein Gebäude gebracht, dessen Tore von Soldaten bewacht wurden. Vilor, Moosko und der Führer der Fremden begleiteten mich in einen kahlen Raum, in dem ein Mann auf seinem Stuhl schlief; er hatte die Füße auf einen Tisch gelegt, der ihm als Schreib und auch als Eßtisch diente.
Unwirsch öffnete der Schläfer die Augen und blinzelte uns einen Augenblick verständnislos an.
»Sei gegrüßt, Freund Sov!« rief der Offizier, der uns beglei tete.
»Oh, du bist’s, Freund Hokal«, murmelte Sov schläfrig. »Wer sind die anderen?«
»Ongyan Moosko aus Thora, Vilor, noch ein Freund und ein vepajanischer Gefangener, den ich verhaftet habe.«
Als Sov den Titel Mooskos hörte, erhob er sich sofort, denn ein Ongyan gehört zu den Mächtigen des thoristischen Impe riums. »Sei gegrüßt, Ongyan Moosko!« rief er. »Du hast uns also einen Vepajer gebracht. Ist er zufällig Arzt?«
»Ist mir egal!« schnappte Moosko. »Der Bursche ist ein Schurke und wird auf jeden Fall sterben!«
»Aber wir brauchen dringend Ärzte!« widersprach Sov. »Wir sterben an unbekannten Krankheiten, außerdem werden wir älter.
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