Venus allein zu Haus
damit war der Abend, wie er ihn sich erträumt hat, natürlich beendet. Du hast ihn beendet.« Irgendwie klingt ihre Stimme jetzt gar nicht mehr angenehm. Ruhe jetzt, und zwar sofort. »Du hast dich aus der Verantwortung gezogen. Du musstest getröstet werden. Ich frage mich nur …« Genervt drehe ich mich zu ihr um:
»Na, was?«
»Ich frage mich nur, wer ihn tröstet.«
Wer Bernd tröstet? Na ja, ich glaube... ach, Quatsch. Niemand. Bernd muss nicht getröstet werden. Es gibt Tröster wie ihn und Getröstet-Werder wie mich. Und deshalb sind wir auch schon so lange so gute Freunde. Weil wir ineinander passen wie Schlüssel und Schloss. Mir fällt die sexuelle Note dieses Vergleichs auf. Das meine ich aber nicht. Sexuell passen wir rein gar nicht zusammen. Wir ergänzen uns einfach nur prima. Wir sind wie Salz und Ei. Pommes und Ketschup. Moment, ich hab’s. Wir sind wie ein Paar Handschuhe. Wir sehen unterschiedlich aus und harmonieren doch perfekt. Ich bin diejenige, der ständig
etwas misslingt, und er ist derjenige, der mich dann in den Arm nimmt und sagt, dass alles wieder gut wird. So wie heute Abend.
»Ja, aber wer nimmt ihn in den Arm?«, beharrt Sophia.
»Hör doch auf. Ich natürlich. Und dutzende von anderen Frauen.« Ich stelle mich extra dumm. Aber ganz ehrlich, die Vorstellung, Bernd in meine Arme zu nehmen, ihm über den Kopf zu streicheln und zu sagen: »Ach, Bernie, warum hast du nur kein Glück mit den Frauen, irgendwas machst du falsch.« Also, ehrlich, das ist einfach lächerlich. Bernd hat immer Glück mit den Frauen. Die müsste man trösten, wenn überhaupt. Nicht ihn. Der kriegt jede, die er will und schießt sie danach genauso schnell wieder ab.
»Nur dich nicht. Dich kriegt er nicht«, stellt Sophia fest.
»Nein«, gebe ich zu, »mich nicht.« Aber wie gesagt, das ist ja sowieso nur eine verrückte Idee von ihm. Eine Laune, die vorübergehen wird.
»Und wenn sie vorübergegangen ist, dann schießt er dich ab, wie alle anderen.« Manchmal nervt es mich kolossal, dass Sophia meine Gedanken lesen kann. »Und davor hast du Angst, also …«
»Ich habe überhaupt keine …«, will ich protestieren, als es an der Tür klingelt. Huch, wer kann das denn sein? Um diese Zeit. Ich werfe einen Blick auf den Radiowecker. Kurz nach zwölf. Ich öffne mein Fenster und lehne mich hinaus, um zu erkennen, wer dort unten vor der Tür steht. »Hallo«, wispere ich, »wer ist denn da?«
»Ich bin’s«, sagt Bernd und sieht zu mir hoch. »Lass mich rein.« Sophia hinter mir beginnt zu kichern wie eine Dreizehnjährige. Wie kann man nur so pubertär sein.
»Er meint ins Haus«, sage ich streng zu ihr und dann zu Bernd: »Ja, warte, ich mach auf.« Dann tapse ich in meinem
hellblauen Schlafanzug mit den Teddybären drauf hinaus in den Flur und drücke den Türöffner. Was will er denn bloß?
»Vielleicht will er ja getröstet werden«, unkt Sophia, doch bevor ich ihr eine scharfe Antwort geben kann, öffnet sich plötzlich die Tür vom Schlafzimmer und ein ziemlich schlaftrunkener Michael kommt heraus:
»Helen, bist du das?«
»Ja, Michael, entschuldige. Es ist nichts. Geh wieder schlafen.« Er grummelt etwas Unverständliches und ich zwitschere ihm ein »Gute Nacht« hinterher. Nicht böse sein. Im Treppenhaus höre ich Bernds Schritte näher kommen. Und wenn er tatsächlich getröstet werden will? Damit wäre ich hoffnungslos überfordert. Sekunden später steht er vor mir. Nein, todunglücklich sieht er nicht gerade aus. Er grinst breit und hält mir eine weiße Plastiktüte hin.
»Hallo Lenchen, du hast doch noch nicht geschlafen, oder?«
»Nein, nein, komm rein.«
»Ich habe das Essen einpacken lassen. Vielleicht hast du ja jetzt doch noch Hunger.« Mein Magen knurrt laut und vernehmlich. »Siehst du, wusste ich’s doch«, grinst er und geht an mir vorbei in die Küche.
»Hmmm, köstlich«, sage ich wie in einer schlechten Maggi-Werbung und reibe mir dazu auch noch genießerisch den Bauch. Aber es stimmt. Das Essen ist großartig. Selbst in der Mikrowelle aufgewärmt ist das eine der besten vegetarischen Lasagnen, die ich je gegessen habe. Bernd sitzt mir am Küchentisch gegenüber und betrachtet zufrieden, wie ich die ganze Portion genüsslich in mich reinspachtele. Herrlich.
»Ich glaube, zu diesem herrlichen Tiramisu braucht es einen Cappuccino«, meint er und macht sich an der Kaffeemaschine zu schaffen.
»Koffeinfrei bitte, sonst kann ich nicht schlafen«, sage ich mit
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