Venus
unter dem dankbaren Blick der knabenhaften Frau streckt und fast schlanker wird, »muss eine optische Veränderung her.« Sie sieht an ihrem roten Kleidchen herunter und nickt. »Wir werden Kuki zu Rate ziehen müssen«, sagt Mau. »Anyway, sie kann nähen und sie hat Geschmack.« Unsere Venus nickt gehorsam. Sie ist froh, dass da jemand für sie denkt. Sie ist froh, dass Mau die Sache für sie in die Hand nimmt.
»Aber«, ruft sie, »nichts dem Bliss Swami sagen.« Mau sieht sie erstaunt an und seine Stimme klettert eine entrüstete halbe Oktave in die Höhe. »Wie käme ich denn dazu?« Er schüttelt den Kopf. Wenn es eine undankbare Adresse für Klatsch gibt, dann ist es der Swami. Toga, das wäre was anderes. Der hört gerne Klatsch. Und er ist sexy, von der Behaarung mal abgesehen, das müsste natürlich alles mit Heißwachs runter. Aber der kleine feste Hintern, die zarte Statur, das Wieselhafte und dabei Ölige …
Venus holt ihn mit einer bangen Frage aus den sündigen Gedanken: »Und was machen wir jetzt?«
»Komm«, sagt Mau, »auf zu Kuki.«
Kuki
Das indische Mädchen mit dem schwarzen Mund, das Mädchen, an dessen Füßen Glöckchen klingeln, ist eine Fischerstochter aus dem Dorf Kap Comprin an der Südspitze Indiens, gewöhnt an die sengende Hitze desSommers, die heftigen Wolkenbrüche des Monsuns, die kalten Meereswinde des Winters. Ihre Eltern sind Kundalini-Yogis, bringen der Hindu-Göttin Durga Tieropfer dar und verachten Menschen, die an andere Götter glauben, besonders aber Moslems. Kukis stärkste Kindheitserinnerung ist, dass sie mit einem kleinen Blechnapf zum Milchmann geschickt wird, sie feilscht, er ziert sich, sie zahlt, er füllt den Milchnapf halb. Zu Hause wird die rare Milch mit Wasser verdünnt.
Mit fünfzehn, in ihrer Hochphase töchterlicher Auflehnung, trat Kuki zum Islam über und breitete fünfmal täglich in der Lehmhütte ihrer Eltern den Gebetsteppich gen Mekka aus. Drei Monate später, als die Eltern ernste Anstrengungen unternahmen, ihr verdrehtes Kind zu verheiraten, schor sie sich den Kopf und erklärte, fortan in einem buddhistischen Kloster im Himalaja leben zu wollen. Sie ging tatsächlich ins Kloster, hielt es dort aber nur knapp zwei Monate aus und zog zu Freunden nach Neu-Delhi. Als sie wenig später von einem One-Night-Stand mit einem Atheisten aus Bombay schwanger war, kehrte sie zu ihren Eltern zurück. Diese verstießen sie. Sie verdrehte, noch bevor ihre Schwangerschaft sichtbar war, einem amerikanischen Touristen den Kopf und ließ sich als rassiges Mitbringsel mit nach New York nehmen. Sie bekam ihr Kind, jubelte es dem Ami unter, verließ beide, wurde erst mager- und dann cracksüchtig und lebte mit anderen Obdachlosen im Tompkins Square Park vom Betteln und Klauen, bis der Bliss Swami sie eines Winters aus dem Müllberg wühlte, aus der Dreckkruste klopfte und auf seinen Pranken in die Tempelkirche trug.
Zum Zeitpunkt unserer Geschichte ist Kuki 22 Jahre alt, sieht aber immer noch aus wie sechzehn. Sie istzu desillusioniert, um sich länger gegen ihre Wurzeln aufzulehnen. Sie geht klaglos und pünktlich religiösen Verrichtungen nach, die sie seit ihrer Pubertät strikt abgelehnt hatte. Sie hat, seit der Bliss Swami sie untergewichtig und mit Ausschlag überzogen auflas, gleichermaßen an Gewicht und Zuversicht gewonnen, doch ihr schwarzer Mund, ihre zusammengewachsenen Brauen, ihre scharfe Nase verhindern, dass sie allzu weich und rundlich wirkt. Erst seit sie hier ist, seit sie ihr Augenmerk nicht mehr darauf richtet, ihren Eltern zu missfallen oder Männern zu gefallen, hat sie angefangen, herauszufinden, wie sie ist. Sie massiert gern. Sie lacht gern. Sie isst gern. Sie tanzt gern. Sie klatscht gern. Sie schmückt sich gern.
Kuki hat die Statur einer teuren Vase, die flüssige Körpersprache einer Bauchtänzerin. Ihr Körper ist schwer, sie bewegt ihn wie eine träge Siamkatze. Sie trägt ausschließlich Saris, die aus meterlangen Seidentüchern geschlungenen indischen Kleider, oder Punjabi-Suits, eine Kombination aus langem Seidenoberteil und Pluderhosen. Sie ist also stets von Kopf bis Fuß geschmückt, vom Perlendiadem bis hin zu mit Glöckchen besetzten Fußspangen. Sie bewohnt ein großes Zimmer im ersten Stock. Dort empfängt sie täglich Kunden für Massagen, die sie mit »Energiearbeit« umschreibt. Ihre Freizeit verbringt sie ausschließlich mit der Anbetung, Fütterung und Umkleidung der hölzernen Durga-Statue, die eigens für sie am
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