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Venus

Venus

Titel: Venus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Buschheuer
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eben einen Stoffkeil ein … Schwester«, antwortet Kuki spitz. »Gegen dich bin ich immer noch schlank.« Ohne das geringste Bedauern stimmt unsere Venus dem Kleidertausch zu, bittet aber Kuki, Mau hinauszuschicken, bevor sie mit dem Umkleiden beginnt.
    »Hey, ich bin schwul«, ruft Mau und versucht im Hinausgehen einen Blick auf Venus’ knabenhafte Gestalt zu werfen, aber vergeblich, Kuki stellt sich ihm in den Weg.
    »Du bist nicht dein Körper«, sagt sie, »du bist eine unsterbliche Seele« und schließt die Tür. Dann wirft sie einen hochinteressierten Blick auf Venus’ rote Unterwäsche. »Die gib mal lieber auch her«, sagt sie. »Sie würde ohnehin durchscheinen.«
    Draußen pfeift Mau »Love me tender«.
    »Willst du Unterwäsche von mir?« Venus denkt an den Mickymaus-Schlüpfer und lehnt dankend ab. »Büstenhalter brauchst du ja nicht unbedingt«, sagt Kuki anerkennend, als sei dieser Umstand ein Verdienst. »Aber die Nagellackreste müssen runter.«

3     Hindupampe
    Als Venus beim Mittagessen in gelbem, öligem, stark gewürztem Reisbrei herumpickt – drei Nelken und eine zigarettengroße Zimtstange hat sie schon auf den Tellerrand gelegt –, treiben die Gedanken sie weg, weit weg in den Nebel der Vergangenheit. Sie sitzt wie versteinert. Kleine gelbe Fettseen bleiben auf dem Pappteller zurück, werden kalt und hart, ohne dass sie sich auch nur rührt. Sie sitzt einfach da, den Löffel in der Hand und taucht in ihr eigenes Nichts.
    »Immer dieselbe Hindupampe«, sagt ein Mann mit einem traurigen Hundegesicht und starker Tabakfahne und setzt sich an ihren Tisch, ohne sich weiter vorzustellen. Sie sieht ihn fragend an.
    »Die essen vegetarisch, aber die machen überall Butter ran, weil die Kuh heilig ist. Böse tierische Fette!« Der Mann verzieht das Gesicht so stark, dass seine Wollmütze stärker in die Stirn rutscht. Er wirkt unfreiwillig komisch. Sein Gesicht ist viel zu groß für seinen Kopf. Er versucht mehrere Male, ein Gespräch anzufangen. Vergeblich. Das blonde Mädchen ist in Gedanken woanders.
    Nachmittags geht sie in ihrem neuen Gewand spazieren, unsicher und mit gesenktem Kopf. Im Grocery Store kauft sie eine Sonnenbrille für zwei neunundneunzig. Die Sonnenbrille gibt ihr etwas mehr Sicherheit. Nun sieht sie wie eine überspannte europäischeTouristin aus. Niemand wird sie erkennen. Sie will, dass sie niemand erkennt, obwohl sie insgeheim hofft, dass sie jemand erkennt, jemand, der alles aufklären würde, der ihr sagen würde: Das ist ein Missverständnis. Du warst zur Tatzeit bei mir. Ich kann das bezeugen.
    Ihr einziger Anhaltspunkt ist die Ratte namens Johnny. Und die Ratte namens Johnny ist tot. Da ist niemand sonst, an den sie sich wenden könnte. Niemand, dem sie etwas bedeutet. Sie läuft weiter, in ihr Selbstmitleid eingesponnen wie in einen Kokon. Durch Johnnys Gesicht blendet sich das des Bliss Swami. Seine Milde, sein Lächeln, sein knarziger Schädel, die freundlichen Augen unter Schilfbrauen.
    Er hat sie in ihrer neuen Verkleidung gesehen, nur eine knappe Stunde zuvor, und hat es nicht einmal zur Kenntnis genommen.
    »Was genau ist eigentlich deine Funktion?«, hat sie ihn gefragt.
    Und er lächelte und antwortete: »Ich bin ein Diener Gottes.« In einem Tonfall, in dem einer sagt: Ich bin Assistent des Geschäftsführers. Aber er hätte auch sagen können: Ich bin ein gemeingefährlicher Geisteskranker, sie hätte ihn genauso angeschmachtet. Sie war so beschäftigt damit, vom Wohlklang seiner Stimme bezaubert zu sein, dass es ihr unmöglich war, sich auf den Inhalt seiner Worte zu konzentrieren. Für den Bruchteil einer Sekunde erwog sie sogar, dem Swami zu erzählen, dass sie wegen Mordes gesucht wird. Eine Überlegung, die vom schwungvollen Eintritt Togas zunichte gemacht wurde.
    Kuki macht viel Lärm mit ihren Fußglöckchen, wann immer sie sich bewegt, und sie bewegt sich praktischimmer. Bis zum Abendessen hat sie ihre Ankündigung, in Venus’ rotes Kleidchen Stoffkeile einzusetzen, bereits wahr gemacht. Ihre Religion verbietet ihr, die stämmigen, aber dennoch wohlgeformten Beine zu zeigen, deshalb trägt sie Hosen zum Kleid und ist ergänzend mit Armbändern und Henna-Mustern auf den Handrücken geschmückt.
    »Kommst du ursprünglich aus Polen?«, fragt sie unsere Venus. »Ich finde, du siehst polnisch aus.«
    Venus würde allzu gern Auskunft geben, hat aber keine Ahnung, ob sie ursprünglich aus Polen kommt.
    Benito, ein italienischer Dauergast, der

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