Venus
nämliche, der beim Mittagessen die Bezeichnung »Hindupampe« geprägt hat und auch am Tisch sitzt, scheint eine Ahnung zu haben. Jedenfalls schüttelt er den Kopf und verzieht sein ohnehin zerknautschtes Shar-Pei-Gesicht in der Absicht, Kompetenz vorzutäuschen.
»Polinnen sehen anders aus«, sagt er und kratzt den Ruß von einer verkohlten Vollkornbagelhälfte. Als ihn niemand fragt, woher er das weiß, legt er die Bagelhälfte weg, verschränkt die Arme und antwortet trotzdem. »Ich hatte mal eine.«
Dann wendet er sich Kuki zu und stellt in verächtlichem Tonfall fest: »Ich finde, du siehst polnisch aus heute, und nicht zu knapp.«
Vielleicht sollten wir an dieser Stelle Benito vorstellen.
Benito
Er stammt aus Sizilien. Er ist der Sohn eines Schlachters und Ältestes von dreizehn Geschwistern. Da er von klein auf kein Blut sehen konnte, blieb ihm nichts übrig, als in der Klippschule seiner Kindheit herauszuragen.Er ertrotzte ein Stipendium für die Universität Mailand. Damit zog er sich den Hass seiner jüngeren Schwester zu, die nach dem Tod des Vaters, obwohl sie Ambitionen zum klassischen Bratschenspiel hatte, gezwungen war, einen Fleischer zu heiraten und vermutlich bis zum Ende ihrer Tage im väterlichen Geschäft Kalbsleber, Blutpudding und Hühnerflügel zu verkaufen.
Seit seiner Pubertät ist Benito in psychiatrischer Behandlung. Die Diagnose: manisch-depressiv. Die Depression ließ etwas nach, als Benito auf der Universität die Anziehung entdeckte, die sein sarkastisch-depressives Hundegesicht auf einen bestimmten Frauentyp hatte. Besonders wenn er die Wollmütze, mit der er bereits damals seine beginnende Glatze verbarg, tief über die Ohren zog. Er wusste wohl, dass sein Schlag bei den Frauen eine Gabe war, die kein Mensch studieren konnte, ein Geschenk des Himmels, überaus hilfreich. Von da an war Schluss mit dem Fleiß. Und auch von seinem Scharfsinn machte er kaum noch Gebrauch.
Über kurz oder lang verliebte sich Priska, die soeben ins Feld geführte Polin, in ihn. Er mochte das Himbeeraroma ihres Lippenstifts und ging mit ihr nach Warschau, wo sie Karriere als Modedesignerin machte und Benito ein Jahr lang durchfütterte. Dann begegnete er einer gewissen Bibi, einer Schweizer Zahnärztin, welche er nach Zürich begleitete, wo er ihr einige Monate auf der Tasche lag, bis er sie mit einer ihrer Patientinnen, Monique, einer Blondine aus Saint-Tropez, betrog.
Monique wollte ihn heiraten und zahlte ihm eine Fotoausrüstung und eine Ausbildung, um ihn ihren wohlhabenden Eltern nicht als Taugenichts vorstellenzu müssen. Benito lernte die Grundbegriffe des Fotografierens und merkte schnell, dass ihm die um seinen Hals baumelnde Profi-Kamera einen Extrabonus bei den Frauen einbrachte. Aus dem Taugenichts wurde ein fotografierender Taugenichts. Zum Tee bei Moniques Eltern erschien er nie, denn zu diesem Zeitpunkt befand er sich schon auf einem Schiff nach Montreal, mit Charisma, einer fünfsprachigen Eurasierin, die ihre erste Rolle bei einer kanadischen Filmproduktion antrat. In Montreal erweckte Benito den Brutpflegetrieb von Sandy, einer amerikanischen Rotkreuzschwester, von der er sich von nun an regelmäßig den Puls messen, einen blasen und die Miete bezahlen ließ. Er begleitete Sandy nach Los Angeles, wo er sich zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben verliebte: in Rajana.
Rajana lernte er in einer Bar am Sunset kennen, wo sie kellnerte, natürlich nur nebenbei, da sie kurz vorm internationalen Durchbruch als Schauspielerin stand. Direkt hinter Rajanas 10000-Dollar-Silikon-Busen fand Benito ernst zu nehmende innere Werte, aufgrund derer er erst einen Job annahm (Sicherheitsmann im Safeway) und später eine Bank überfiel.
Vier Jahre danach, unmittelbar nach seiner vorzeitigen Entlassung, ging er mit der ehemaligen Gefängniswärterin Lucille nach New York. Lucille hatte dort einen Job in der Obdachlosenbetreuung angenommen und sorgte für Benito, weil der ja erst als Fotograf Fuß fassen musste. Bevor er aber mit dem Fußfassen begann, räumte er Lucilles Konto ab, verschwand und mietete sich feudal im Gästetrakt der Tempelkirche zum heiligen Franz ein. Er war ein Temporärer, so lange sein Geld reichte, und stand nun gerade vor der Entscheidung, ein Permanenter zu werden, mit allen Nachteilen, die damitverknüpft waren, was seine ohnehin düstere Stimmung zusätzlich eintrübte.
Benito fühlt sich erschöpft, ausgehöhlt von seinen eigenen Aversionen. Er hasst New York, diesen
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