Venus
Altar aufgestellt wurde.
Zwei Minuten nachdem die beiden das Zimmer verlassen haben, klopft es sehr leise an die Tür. Unmittelbar danach, fast noch im Klopfen, öffnet sie sich. Toga tritt ein, wirft einen anerkennenden Blick auf das Bett, daser selbst zusammengezimmert hat, und lässt sich dann in den Liegestütz fallen – hier müssen wir erstaunt sehen, dass er das durchaus auch tut, wenn er sich unbeobachtet fühlt. Jedenfalls wischt der kleine haarige Mann auf dem Boden von Venus’ Zimmer herum, putzt und schrubbt und murmelt vor sich hin, steckt einen Papierkeil unter die Tür, schaltet die Klimaanlage an und will eben das Zimmer wieder verlassen, als die New York Post in sein Blickfeld gerät.
Kopfschüttelnd will er sie greifen und ab damit in den Müll, auf dass seine Seele nicht verschmutzt werde, aber es ist zu spät. Die Seelenverschmutzung hat bereits stattgefunden. Toga sieht Venus’ Foto, seine braunen Augen verengen sich, er liest, schüttelt den Kopf, liest, plumpst auf die Knie, faltet die Hände zum Gebet, sieht schließlich eine Wollmaus auf den Dielen, unterbricht das Gebet, schnappt sich die Wollmaus, springt in den Stand – eine Übung, die wir nicht ohne Bewunderung zur Kenntnis nehmen – und verlässt das Zimmer. Die Zeitung lässt er auf dem Tisch liegen, so wie er sie gefunden hat.
Einige Sekunden später kommt er wieder zurück, entfernt den Papierkeil, schaltet die Klimaanlage wieder aus, verwischt alle Spuren seines Besuches, oder sagen wir fast alle, denn die Flecken und die Wollmaus stellt er nicht wieder her, und verschwindet eiligen Schrittes.
Wir eilen ihm nach, überholen ihn im Goldbrokatzimmer, huschen die Treppen hinunter in Kukis rubinrot ausgekleidetes Gemach und haben offenbar verpasst, mit welcher Begründung die Tarnung unserer Venus bereits in die Wege geleitet wurde.
»Wollen wir die Haare färben? Ich hätte Henna im Haus«, sagt Kuki unternehmungslustig.
Hastig schüttelt die Venus den Kopf. Sie möchte ihr weißblondes Haar behalten. Sie ist ja nur an einer vorübergehenden Veränderung interessiert. Sicher hat sich schon in wenigen Tagen alles aufgeklärt.
»Pony schneiden? Perücke?«, fragt Kuki und hält lockend einen pinkfarbenen Pagenkopf hoch. Venus schüttelt wieder den Kopf. Sie beobachtet Kuki, die in einer messingbeschlagenen Truhe wühlt. Sie bestaunt Kukis Rasse, den schwarzen Mund mit der kurzen Oberlippe, durch die perlmuttweiße Zähne blitzen, die dunklen Brauen wie Vogelschwingen, die sich über der scharfen Nase schließen. Sie bewundert den schwarzbraunaschigen Hautton der jungen Frau, das kleine und fremdartig schöne Gesicht, die schlanken Fesseln und Handgelenke, das Haar, schwarz wie Ebenholz.
Aus der Truhe fördert Kuki erstaunliche Dessous zutage. Venus’ Aufmerksamkeit wird von einer nur aus Strängen bestehenden violetten Unterhose geweckt, auf deren dreieckigem Vorderteil eine Plastik-Mickymaus angebracht ist, die auf Knopfdruck »Love me tender« singt, ein Effekt, der Mau kreischendes Gelächter entlockt.
»Haare ganz abschneiden?«, fragt Kuki. »Ich kann gut Haare schneiden.«
Venus hört gar nicht mehr auf, den Kopf zu schütteln.
»Dann bind mein weißes Kopftuch um«, sagt Kuki, wirft ihr dickes schwarzes Haar um sich und nimmt ihr mit resolutem Griff die immer noch singende Mickymaus-Reizwäsche weg. »Bind es tief in die Stirn, oder warte, ich helfe dir. Die Haare stopfen wir drunter.«
Während Kuki ihr hellblondes Spaghettihaar unter das Tuch stopft, sieht Venus in ihrem Dekolleté an einer Kette ein Medaillon, welches sich geöffnet hat und das Foto eines indischen Babys zeigt.
»Wer ist das?«, fragt sie und greift nach dem Medaillon. Kuki entzieht sich ihrem Griff.
»Kavi«, sagt sie kalt. »Hat man es dir nicht erzählt? Pfeifen es nicht schon überall die Spatzen vom Dach?«
Venus fühlt sich unbehaglich. Offenbar hat sie verbotenes Terrain betreten. Mau macht ihr Zeichen, das Thema zu wechseln, aber ihr fällt nichts ein außer Mord. Mord. Mord. Kuki fällt beinahe augenblicklich wieder zurück in ihren Plauderton.
»Ich geb dir meinen hellen Anzug, den mit den Perlen. Ich tausch ihn ein gegen dein Kleid, okay?«
Mau, der sich ebenfalls für einen Moment unbehaglich gefühlt hat, und zwar aus Gründen, die uns bekannt sind, räuspert sich und hat sofort wieder Oberwasser. »Anyway, das Kleid wird dir nicht passen, Schwester«, sagt er, nicht ohne Häme, aber auch nicht ohne Liebe.
»Dann setze ich
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