Venus
muss zum Teufelsaustreiber.
Was soll sie sagen? Was ist schlimmer? Dass es ihm egal ist, ob sie eine Frau ist oder ein Mann, oder dass er von ihr besessen ist? Sie gehen dann zehn Minuten oder länger schweigend nebeneinander her. Die Lippen des Bliss Swami bewegen sich, er betet wieder. Der Mann besitzt die Unverfrorenheit, jetzt zu beten! Betet er darum, ihn von der Versuchung zu befreien?
Mau, der seine schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hat und abwäscht, sieht die beiden zurückkommen, getrennt von einer unsichtbaren Wand, die er vorerst ignoriert.
»Neue Klamotten?«, sagt er mit prüfend hochgezogenen Augenbrauen.
»Ja, und was gibt’s hier Neues?«
»Ach«, er winkt ab, »Bringfriede brüllt rum. Seit Stunden. Sie sagt, die Boten der Hölle sind da, um sie zu holen.«
Venus braucht einige Sekunden, um zu reagieren. Zu sehr ist sie noch mit ihrer eigenen Dämonisierung befasst.
»Sie hat den Derwisch mit der Stricknadel attackiert«, sagt Mau. Erst jetzt dringt seine Botschaft in Venus’ Bewusstsein.
»O je, wo ist sie?«
»In Sicherheit.« Mau grinst breit. »Anyway, Toga ist bei ihr.«
Der Bliss Swami verlässt mit schwerfälligen Schritten den Raum. Umgehend schwenkt Maus Tonfall um, vongeschäftlich-informativ zu neugierig-konspirativ: »Sag mal, wie heißt das Spiel, das ihr da spielt? Dornenvögel?«
Venus sieht ihn verständnislos an.
»Na, das Buch, kennst du das Buch nicht? Das Mädel und der Priester?«
Venus schüttelt den Kopf.
»Ihr Frauen seid komische Wesen. Immer müsst ihr irgendwen zu irgendwas bekehren.«
»Wie meinst du das?«
Mau wirft einen Blick auf ihren neuen weißen Anzug. Sie hat genauso schmale Hüften wie Ely, denkt er, und ein Schwapp Lava ergießt sich in seine Eingeweide.
»Das ist euer Lieblingsprojekt«, sagt er. »Schwule und Mönche umdrehen.«
Venus hat noch nicht einen einzigen Gedanken daran verschwendet, Mau umzudrehen – im Gegenteil, Mau ist der einzige männliche Glückliche Sklave Gottes, dem Frauen bedenkenlos Zärtlichkeiten zukommen lassen können, er wird von allen geherzt und geküsst, er frisiert sie, gibt ihnen Styling-Tipps und hat Kuki angeblich sogar schon nackt gesehen, »eine Erfahrung, die man nicht wiederholen möchte«, so sein Kommentar.
»Wie kommst du denn auf so was?«
»Na, du und Bliss Swami, das sieht doch ein Blinder mit ’nem Krückstock. Dachpflanzaktionen, Spaziergänge, offenbar sogar Klamottenshopping.« Er lässt seinen Blick vielsagend an ihrem neuen Outfit hinabgleiten. »Die gesamte Community ist besorgt.«
Venus kann sich nur zu gut vorstellen, wer die gesamte Community informiert hat.
»Um sein Seelenheil oder um meins?«
»Na, um seins natürlich. Deins ist ja im Arsch.«
»Danke.«
»Bitte.«
Mau trocknet sich kichernd die runden samtbraunen Hände ab. »Nee, jetzt mal im Ernst«, sagt er, »mal angenommen, dass es Gott wirklich gibt und dass er wollte, dass du hier in diesem spirituellen Irrenhaus landest – find doch einfach raus, warum er das will. Bei mir ist es so: Ich hab Angst vor dem Wahnsinn da draußen. Krieg und Umweltverschmutzung und Drogen und Aids. Außerdem bin ich so fett geworden. Ich stelle nichts mehr dar. Das Gute ist, Krishna liebt mich trotzdem.«
»Mag ja sein«, sagt Venus, »aber streichelt er dich, küsst er dich, umarmt er dich?« Sie will ihn streicheln, um sein Defizit zu veranschaulichen.
»Nur kein Mitleid, ich bin okay«, sagt Mau und geht einen Schritt zurück. »Ich hab hier echt schöne Sachen gefunden. Das Meditieren. Das Singen. Die heiligen Statuen verehren …«
Draußen läuft Toga mit seiner Frau vorbei, beide schieben ihre Fahrräder Richtung Lift. Toga steckt seinen Kopf durch die Tür, rasselt mit dem Schlüsselbund, macht das Licht aus, denn er pflegt Strom zu sparen, greift einen Lappen, wischt im Halbdunkeln den Türrahmen ab, gibt Mau im Flüsterton einige Aufträge, belehrt zischend beide, sie sollen leise sein und die Gäste nicht stören, und geht wieder hinaus.
»Kennst du seine Geschichte?«, fragt Mau, als Toga weg ist, und macht das Licht wieder an. Venus schüttelt den Kopf und wirft sich aufs Sofa. Sie kennt Togas Geschichte nicht, und sie interessiert sie auch nicht. Was meint der Bliss Swami damit, dass er von ihr besessen ist? Begehrt er sie? Begierde wäre was Handfestes, Besessenheit kommt ihr dagegen passiv vor, schwer greifbar und gleichzeitig durch und durch negativ.
»Der war auch mal Mönch.«
Sie horcht auf. »Wer?
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