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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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großen Umschlag der Offerten-Expedition, doch der blieb leer. Es waren nur diese fünf Briefe, die ihm zugeschickt worden waren. Die Saphirblaue schien keine Leserin von Kleinanzeigen zu sein, oder, was schlimmer wäre, sie wollte keinen Kontakt zu ihm.
    Philip Perak trat an das Fenster des Salons und blickte auf die sechs Buchsbäume, die in weißlackierten Kübeln auf seinem Balkon standen. Die Putzfrau musste vergessen haben, sie zu gießen. Die Erde wirkte verdorrt.
    Perak war kein Geizhals, er hasste es nur, wenn die Dinge nicht gepflegt wurden. Teuer Angeschafftes. Doch er brachte es nicht fertig, den Balkon zu betreten, öffnete nur die Klappe der Tür. Gelächter nebenan. Als säßen sie da und lachten ihn aus. Er erkannte Veras Altstimme.
    Die kurzen Stöße, dem Gemecker einer Ziege ähnlich, das konnte nur die Alte sein.
    Das weiche Lachen eines Jungen. Perak trat näher an die Tür. Legte das Ohr an die schräggestellte Klappe. War er das? Dieser Mensch, der ihm Vera wegnahm?
    Perak biss die Zähne in die Unterlippe. Das war mehr, als er ertragen wollte. Er drehte sich um, sah in seinen leeren Salon hinein. Kein Trost. Nirgends.
    Er blickte zu dem Bösendorfer. Konnte er anspielen gegen das Gelächter? Das Einzige, das sie da drüben innehalten ließe, wäre wohl, wenn er sie mit Stardust überraschte.
    Das erwartete keiner von ihm.
    Philip Perak ging zu dem Mooreichenschrank. Öffnete die Glastür. Ganz unten lagen die Noten, die er suchte. Er zog sie hervor und trug sie zum Flügel. Setzte sich. Legte die Hände auf die Tasten. Dieses Staunen da drüben.
    Der erste Takt. Perak spielte ihn. Dann brach er ab.
    Es hatte keinen Sinn. Er war unfähig. Auf einen Balkon zu gehen. Stardust zu spielen. Unfähig.
    Perak strengte sich an, nicht loszuheulen, als er den neuen Leinenanzug anlegte. Nun blieb ihm nur die Flucht. In diesen herrlichen Junitag, der mit so viel Gelächter bedacht wurde. Auf Veras Balkon.
    Treffen wir uns wieder, hatte er geschrieben, vor dem Kollier aus Saphiren. Er würde warten. Was sollte er sonst tun.
    »Du hast sehr helle Augen«, sagte Leo, »Gletscherseen.«
    Harlan nickte. Er kannte den Vergleich, der nicht einmal stimmte. Gletscherseen waren von einem matten Grün, hatten kaum je die helle Durchsichtigkeit seiner Augen. Vielleicht war es die Kühle, die ihn umgab und die er kultivierte, die an Gletscherseen denken ließ.
    »Eigentlich haben sie kaum Farbe«, sagte Leo.
    Er stand auf und ging zu dem großen Fenster hinüber. Ihm wurde es leicht zu eng mit ihr auf dem Sofa. Sie war eine Frau, die Berührungen suchte. Er wusste nicht genau, was er finden wollte in ihr. Ihm gefiel die Intensität, mit der sie den Gedichten lauschte, und die Bereitschaft, auf das bisschen Wahnsinn anzuspringen, das er ihr bot.
    Leo schien weg zu wollen von der Normalität. Er hatte sonst eher das umgekehrte Problem bei Frauen.
    Die Kehrwiederspitze drüben auf der anderen Seite der EIbe wirkte dunkel, obwohl sie von hell erleuchteten Bars und Coffeeshops umgeben war, die aus dem Boden sprossen.
    Er genoss den Blick auf den Hafen. Leo sagte, dass sie ihn liebe, den Blick. Kannte wohl nur Wohnungen ohne Aussicht, obwohl sie auf einem holsteinischen Gut aufgewachsen war. Doch was gab es da anderes als plattes Land.
    Er hörte ihr zu. Erzählte nichts von sich. Seine Wortbeiträge waren von philosophischer Art. Oder er las Gedichte vor.
    Leo trat neben ihn. »Ich liebe diesen Blick, sagte sie.
    Harlan nickte. Sie fing an, ihn zu langweilen.
    Diese Vera interessierte ihn, von der sie sprach. Doch Leo schien eher zu verhindern, dass er ihr begegnete.
    Witterte wohl Gefahr. Harlan lächelte.
    Was würde er tun mit Leo? Erst einmal alles laufen lassen?
    »Trinkst du noch eine Tasse?« Er wandte sich um und ging zu dem Stehpult, einem der kargen Möbel im loftähnlichen Raum.
    Er hob die Brauen und blickte zu ihr hin. Das Teelicht des Rechauds brannte langsam aus.
    »Es ist mir zu spät für Tee«, sagte Leo.
    Er hielt sie längst für eine verkappte Alkoholikerin.
    »Du kannst da hinübergehen.« Sein Kinn wies den Weg zur Kehrwiederseite. »Alfredo«, sagte er, »da gibt es alles zu trinken, was du willst.«
    »Ich gehe nach Hause«, sagte Leo.
    »Nicht, ohne ein Gedicht gehört zu haben.«
    Leo sah ihn an und hatte eine Ahnung von Sehnsucht nach Nick. Doch sie ließ sich auf dem Ledersofa nieder, bereit zu hören, obwohl ihr diesmal ein Gin Tonic lieber gewesen wäre.
    Harlan schaltete die kleine Leselampe

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