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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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ohne das zu korrigieren. Seine Hand stieg auf zu dem Tanga, den sie trug. Er schob einen Finger hinein.
    So weit war er noch nie gegangen bei ihr. Er wollte keinen Sex mit Leo. Sie war die Frau, der er Gedichte vorlas.
    Harlan hielt inne, als wäre er gestört worden. Er sah auch angestrengt durch die Windschutzscheibe, wie um das zu bestätigen. Dabei war vorne nur ein Türsteher zu sehen, der unter dem Vordach einer Diskothek stand.
    Der Regen hörte so plötzlich auf, wie er gekommen war.
    Harlan zog seine Hand zurück und lächelte.
    »Deine Freundin wartet sicher schon«, sagte er.
    Leo sah ihn irritiert an. Worauf sollte Vera warten? Auf den Einsatz, den Leo und Harlan ihr gaben?
    Sie zog an dem Kleid. Zog es über ihre Knie. Erstaunlich, wie weit hinunter sich dieses Kleid ziehen ließ.
    Harlan öffnete die Tür auf Leos Seite und hielt ihr die Hand hin, die sie nicht nahm. Leo sah traurig aus.
    Sie gingen die hundert Meter zur Bongo-Bar schweigend.
    Er hätte sie beinah aufgefordert zu lächeln. Harlan lag daran, ein gutes Entree zu haben, bei der Sängerin.
    Doch er sorgte sich ohne Grund. Leo hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt, als sie die Bar betraten.
    Vera war überrascht. Sie hatte sich Leos Dämon anders vorgestellt. Härtere Gesichtszüge. Dominanter. Wenn er es denn war, dann spiegelte es sich nicht in seinem Gesicht wider. Alain Delon fiel ihr ein. Der eiskalte Engel.
    War es das, warum sie bei What's now my Love auf einmal ins Französische fiel und Jefs verwunderten Blick auffing, weil sie Et Maintenant gesungen hatte? Que vais-je faire.
    »What's now my love, now that it's over«, sang Vera. Sie hatte sich wieder gefangen. Blinzelte Leo zu, die mit Harlan an einen nahen Tisch geführt worden war. Ein Silberkübel mit einer Flasche Veuve Clicquot wurde gebracht. Obere Mitte bei den Preisen für Champagner in der Bongo-Bar.
    Vielleicht gefiel er ihr sogar. Er schien Stil zu haben. Er hatte ein hübsches Gesicht. In ihr waren doch wohl mehr Gene von Nelly, als sie wahrhaben wollte. War sie, anders als ihre liebe Mutter, nicht immer ganz unabhängig von hübschen Gesichtern gewesen? Dann kam Jef. Nun Harlan?
    Das nächste Lied, das sie mit Jef abgesprochen hatte. Ein langes Vorspiel für den Pianisten. Send in the Clowns.
    Was hatten sie denn heute für ein Repertoire? Sie entfernten sich weit vom Jazz. Doch Jef wusste, wie sehr sie Stephen Sondheim verehrte, den genialen Songschreiber.
    »Isn't it rich, isn't it queer. Losing my timing this late in my career.« Harlan lächelte. Vielleicht war er nicht kalt.
    Vielleicht hatte er sogar Humor.
    Vera hätte beinah den Kopf geschüttelt, in den Beifall hinein den Kopf geschüttelt. Nein. Harlan durfte ihr nicht gefallen. Das konnte sie Nick nicht antun.
    Sie lächelte Jef zu, der das nächste Lied von Sondheim anspielte. »Nothing's gonna harm you«, sang Vera, »not while I'm around.« Jef legte den Kopf in den Nacken. Er brauchte auf keine Noten zu gucken, während er spielte. Konnte sie Jef je mehr lieben als in diesem Augenblick, in dem er die Augen schloss, um dem Lied nachzulauschen, und ihm die dunklen Locken über den weißen Stehkragen fielen?
    Jefs Doc Holliday-Hemd. Vera gluckste in die nächste Zeile hinein. Sie blickte zu Leo hinüber, die angespannt aussah.
    Vielleicht irrte sie sich doch, und Harlan war ein Aas, und sie verlor sich in ihren Liebesliedern und war nicht mehr ganz bei Verstand. Anni hätte hier sein sollen.
    Ein kleiner letzter Akkord, und Vera hatte zu Ende gesungen und ging an Leos Tisch. Eine zweite Flasche Champagner wurde bestellt.
    »Kann Jef nicht kommen?« Leo sah Vera an.
    Vera guckte auf die väterliche Uhr, die zu groß an ihrem Handgelenk hing. »In einer Viertelstunde«, sagte sie.
    Harlan sah zu Jef hinüber. Kein freundlicher Blick.
    Er hob das Glas, in dem der sanftgelbe Clicquot perlte, und lächelte Vera an. »Auf eine großartige Sängerin«, sagte er.
    Harlan hatte etwas Faszinierendes. Ein Sog, dachte Vera und trank und nickte ihm zu und war dankbar, dass Jef nah war. Ihr war es ein Leichtes, Harlan zu entkommen.
    Die junge Frau mit den flachshellen Haaren hatte auf einem leeren Grundstück gelegen, wo nur noch die letzten Reste eines Kellers davon zeugten, dass hier einmal eine Villa gestanden hatte. Kaum zu glauben, dass sechzig Jahre nach den Tagen der schrecklichsten Bombenangriffe noch Trümmergrundstücke in dieser Stadt waren.
    Vielleicht hatte sie leicht verrenkt im hohen Gras gelegen,

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