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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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beunruhigen«, sagte er.
    Vera schnaubte. »Was glaubst du, wie beunruhigt ich erst bin, wenn deine Leiche vor einem Speicher gefunden wird.«
    »Vielleicht übertreiben wir«, sagte Jef, »ich bin doch nur eine ganz kleine Nummer in diesem Spiel.«
    Vera stand auf und trat ans Küchenfenster. Im Hof unten lag eine Katze in einem Liegestuhl mit blauweißen Streifen. Zwei Kinder spielten Federball. Sommer. Frieden. Übertrieben sie?
    »Ich habe Kontakt zu einem Konzertagenten aufgenommen.«
    Vera drehte sich um.
    »Ich könnte auch als Korrepetitor arbeiten.«
    »Glaubst du, er lässt dich gehen?«, fragte Vera.
    »Er ist Besitzer der Bongo-Bar und nicht Al Capone.«
    »Hat er den Käsehändler auf dem Gewissen?«
    Jef hob die Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte er, »kann einer, der so viel von Musik versteht, ein Mörder sein?«
    »Böse Menschen haben keine Lieder?«
    »So ähnlich«, sagte Jef.
    »Es zittern die morschen Knochen«, sagte Vera. »Die Fahne hoch, SA marschiert mit festem Schritt und Tritt. Auch als Horst-Wessel-Lied bekannt.«
    Jef winkte ab.
    »Heydrich spielte ausgezeichnet Geige«, sagte Vera.
    »Ich staune über dein Wissen«, sagte Jef.
    »Mein Freund Nick hat eine gut sortierte Bibliothek.«
    »Ich würde ihn gern mal kennen lernen.«
    »Er dich auch. Du hast sein Herz schon gewonnen, dadurch, dass du Harlan nicht leiden kannst.«
    Jef nickte. »Nick soll bald mal in die Bongo-Bar kommen«, sagte er, »vielleicht geben wir unsere Abschiedsvorstellung schneller, als wir denken.«
    »Nick war da, als du krank warst.«
    »Lad ihn ein. Donnerstag ist ein guter Tag.«
    Vera ging zum Küchentisch und nahm eine der Fotografien in die Hand. Ein kleiner Junge am Klavier.
    »Von wem hast du das Talent?«
    »Vom Vater«, sagte Jef und lächelte. »Meine Mutter war völlig unmusikalisch. Sie hörte nicht, wenn ich falsch spielte. So wurde sie eine große Verehrerin meiner Darbietungen.«
    Vera nickte. Sie ging selbstverständlich davon aus, dass sie ihr Gesangstalent den väterlichen Genen verdankte, obwohl Nelly als Soubrette aufgetreten war, bevor sie in Gustav Lichtes Leben trat. Wer war bloß dieser Edouard?
    Sie legte das Foto auf den Tisch, und Jef sammelte die anderen ein und tat sie in den Knuspergold-Karton.
    »Hast du von deiner Freundin Leo gehört?«
    »Nein. Aber ich habe vor, es heute noch zu tun. Die Dame ist zur Zeit ziemlich schwer zu fassen.«
    »Sie wirkte auf mich, als ob sie Angst hätte.«
    »Leo? Vor Harlan? Vielleicht ist er zu sehr von sich überzeugt, doch Furcht erregend fand ich ihn nicht.«
    »Frag Nick, ob er am Donnerstag Zeit hat«, sagte Jef.
    Es überraschte ihn selbst, dass ihm das dringend war, doch er konnte einen Freund brauchen. Dieser Nick schien dafür in Frage zu kommen.
    »Ist was Besonderes am Donnerstag?«
    »Der Chef ist nicht da. Dann bin ich entspannter.«
    Vera sah ihn an, und sie sah die Anspannung in seinem Gesicht, und ihr fielen zum ersten Mal die feinen Linien unter den Augen auf. Jef Diem hatte angefangen, wie achtunddreißig auszusehen.
    Leo legte die sechs großen Farbabzüge aneinander, als sei es eine Bildergeschichte, die sie mit Charles und Camilla plane. Die Fotos variierten kaum. Thronfolger und Geliebte guckten eher gelangweilt, trotz der prunkvollen Umgebung. Doch es galt, das Glanzvollste zu finden, um den Leserinnen Freude ins bürgerliche Herz zu bringen.
    »Das zweite von links. Da ist Camillas Kinn am besten.«
    Leo zuckte zusammen. Sie hatte Vera nicht kommen hören.
    »Das siehst du auf einen Blick?«
    »Klar«, sagte Vera. »Seit wann nehmt ihr diese Tapeten, statt Dias auf den Leuchttisch zu legen?«
    »Sie kamen so hier an«, sagte Leo und klang spitz. Ihr gefiel es nicht, wenn Vera in die Redaktion platzte. Sie hätte vorher gern noch ihren Schreibtisch umgestaltet. Die internationalen Käseblätter abgeräumt und dafür ein paar Spiegel Spezial hingelegt. Vera setzte sie unter Druck, wie Nick es tat.
    »Bin ich in deine Bongo-Bar gekommen und habe bohrende Fragen gestellt, warum du das singst und nichts anderes?«
    »Entschuldige. Das kommt nur, weil ich hier gearbeitet habe.«
    »Das ist aber lange her.«
    »Sei friedlich. Ich störe dich nur deshalb in deinem Büro, weil ich dich sonst nicht mehr zu Gesicht kriege.«
    Leo ließ sich auf den Drehstuhl fallen und gähnte. »Ich hatte einen harten Tag.« Viel zu oft sagte sie das in letzter Zeit.
    »Kannst du nicht Schluss machen? Dann lade ich dich auf einen Drink ein.«

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