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Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers

Titel: Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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Vera sah auf ihre Uhr. Es war schon sechs.
    Leo schüttelte den Kopf.
    »Harlan?«
    »Nein«, sagte Leo, »heute nicht. Mit ihm war ich die ganze letzte Nacht aus. Charles und Camilla wollen noch ins Heft.«
    »Ich kann dir helfen.«
    »Nur das nicht. Denk an deinen Auftritt.«
    »Ich singe nicht jeden Tag.« Vera setzte sich auf die Kante des Schreibtisches. Leo hätte sie gern zur Tür hinausgetragen. Das war deutlich zu spüren.
    »Ich bin kein Unmensch«, sagte Vera, »ich gehe.«
    Leo atmete auf. »Tut mir Leid«, sagte sie.
    »Tu mir lieber einen Gefallen und komm zu mir, sobald du Charles und Camilla versorgt hast. Das wird ja wohl nicht die Nacht dauern. Du kannst Gin Tonics trinken und dann im Gästezimmer schlafen.«
    »Und dir Rede und Antwort stehen«, sagte Leo schwach.
    Vera rutschte von der Schreibtischkante und schob einen der Farbabzüge zurecht, den sie berührt hatte.
    »Komm, Leo. Mir ist bange, dass unsere Freundschaft in die Binsen geht.«
    »Blödsinn«, sagte Leo, »ich werde mich beeilen.«
    Den ganzen Tag keine Silbe von der Saphirblauen, keinen Ton. Perak traute sich kaum, das Telefon aus den Augen zu lassen. Anrufbeantworter hatte er bisher als einen Verfall der guten Sitten betrachtet, unfein, wie es Handys waren, die Krethi und Plethi besaßen.
    Gegen Abend hatte Philip Perak Verdauungsstörungen.
    Sein Leib war hart vor Anspannung und der Notwendigkeit, in der Nähe des bescheidenen Kommunikationsmittels zu bleiben, das sein Haushalt bot. Er nahm ein Abführmittel und beschloss, sich fortan nicht mehr gegen technische Neuerungen zu wehren. Ein schnurloses Telefon hätte er sich gönnen sollen. All das war von ihm für eine modische Torheit gehalten worden, wie es Hemden waren, die sich ohne Manschettenknöpfe tragen ließen. Philip Perak sah nun ein, wie antiquiert diese Meinung war, und er wäre noch losgegangen, um eines dieser Geräte zu kaufen, hätte er es nur gewagt, die Wohnung zu verlassen.
    Was er wagte, war, die Tür einen Spalt zu öffnen, weil er zu hören glaubte, wie sich der alte Aufzug von Stockwerk zu Stockwerk schleppte. Er hatte richtig gehört.
    Der Aufzug kam im vierten Stock an, die Tür öffnete sich, und natürlich stand nicht die Saphirblaue da, sondern Vera, was genauso gut gewesen wäre, hätte sie ihn nicht nur kühl gegrüßt, sondern seine Not und seine Sehnsucht erkannt und Bereitschaft gezeigt, beidem Abhilfe zu verschaffen.
    Doch sie verschwand in ihrer Wohnung, schloss die Tür hinter sich, und es blieb ihm nichts anderes, als seine zu schließen. Perak verzog sich neben das Telefon.
    Er schreckte zusammen, als es klingelte. Doch die Leitung war tot, ehe er auch nur seinen Namen zu Ende gesprochen hatte. Vielleicht schämte sie sich.
    Der Krawattennadel mit den grauen Perlen wegen. Gloria ahnte sicher, dass er das Fehlen bemerkt hatte. Wäre ihm nur die Möglichkeit gegeben, ihr zu sagen, wie wenig ihn der Verlust der Nadel schmerzte. Einen Augenblick lang dachte er daran, ein weiteres Briefchen zu schreiben und unter den Scheibenwischer des Aston Martin zu stecken.
    Er war bereit, ihr viel mehr zu geben als eine Nadel mit grauen Perlen. Wäre sie nur bei ihm.
    Um zweiundzwanzig Uhr hatte er vier Gläser Hine Antique getrunken, der feinste Cognac, den er im Hause hatte, und stellte Überlegungen an, ob er vielleicht übertrieb mit dem Verlangen nach der Saphirblauen.
    Hatte seine Mutter ihn nicht gern hysterisch genannt?
    Hysterisch. Memme. Warum eigentlich Memme? Weil er nicht den Mut fand, ihr an den Hals zu gehen?
    Die größte Angst Ola Peraks war es gewesen, dass ihr Sohn homosexuell sein könnte. Philip Perak lachte auf. Wenn sie wüsste, wie er hier saß und sich nach einer Frau sehnte.
    Der Cognac beruhigte ihn nicht lange.
    Bald stand er so unter Strom, dass er durch die Räume lief, heftig gestikulierte und Beschwörungen und Drohungen ausstieß. Er erschrak, als er an dem hohen Spiegel in der Diele vorbeikam und das eigene verzerrte Gesicht sah.
    Perak ging in die Küche und goss sich Wasser ein, das er in einem Zug trank. Er kehrte in den Salon zurück und ließ sich auf dem mooreichenen Schreibtischstuhl nieder, dessen geschnitzte Löwenköpfe mit ihren aufgerissenen Mäulern ihn heute zu verhöhnen schienen.
    Sein Kopf sank auf die Schreibtischplatte. Er war erschöpft.
    Nicht lange nach Mitternacht fing Philip Perak an, klagende Laute auszustoßen.
    Diese Laute waren es, die Vera weckten. Sie lag auf der Chaiselongue in ihrem Wohnzimmer

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