Vera Lichte 01 - Tod eines Klavierspielers
kann ja im Auto sitzen bleiben.« Er sah Steve McQueen vor sich, wie er den Fluchtwagen fuhr.
»Fein. Hast du übrigens Donnerstagabend Zeit?«
»Ich habe immer Zeit«, sagte Nick. Seine Auftragslage war auch nicht gerade die Beste.
»Jef bittet dich, in die Bongo-Bar zu kommen. Zu Klavierspiel und Gesang. Er freut sich darauf, dich kennen zu lernen.«
Ein kleiner Stich in Nicks Herz. Eifersucht, die er gleich zu verdrängen versuchte. Um Veras willen und weil er eine Ahnung hatte, dass er Jef gut leiden können würde. Wäre doch beruhigend, wenn sich mal was Neues aufbaute und nicht nur Trümmer herumlagen.
Nick nahm den Autoschlüssel und hoffte, dass der gute alte Golf anspringen würde. Er zickte in letzter Zeit.
»Du könntest ein neues Auto brauchen«, sagte Vera, die leidenschaftliche Nichtfahrerin, als Nick den Zündschlüssel zum dritten Mal drehte.
Nick dachte an die vollen Tüten, die der Feinkosthändler in Veras Auftrag gebracht hatte. »Komm mir auf keine dummen Gedanken«, sagte er, »ich will den Golf. Tot oder lebendig.«
Das Auto sprang an.
Dumpfes Tuten drang an sein Ohr. Das Horn eines Schiffes.
Er dachte einige Sekunden lang, dass man sich einen Scherz mit ihm erlaube, doch dann hörte Philip Perak die weiche Stimme der Frau, die er so schmerzlich vermisst hatte.
»Ein kleiner Handel in London«, sagte die Saphirblaue, »zwei Präraffaeliten, die es zu kaufen galt. Ich bin eben erst zurück und zu meinem Auto gekommen.«
Er dankte den Mächten, die dafür zuständig sein mochten, dass kein Windstoß das Kuvert verweht, keine gierige Hand es an sich genommen hatte. Er wusste schon, dass er diesen Moment später als einen der glücklichsten empfinden würde.
Gloria war wieder da und wollte ihn.
Ein kleiner Handel in London hatte sie davon abgehalten, bei ihm zu sein, und er hatte das Schlimmste vermutet.
Zurückweisung. Ablehnung. Lächerlichkeit.
Philip Perak hätte von Herzen gelacht, wäre er nicht bedacht gewesen, als Erstes eine Verabredung zu treffen und so auf der sicheren Seite zu sein.
»Ich komme zu Ihnen«, sagte die Saphirblaue, »wenn Sie wollen, heute Abend schon.«
»Um sechs?«, fragte Perak. »Ich bereite etwas vor.«
»Das ist zu früh. Sagen wir um zehn?«
Er hätte sie zu jeder Zeit empfangen. Doch die Verzögerung hatte etwas Gutes. Es ließ sich viel mehr vorbereiten.
»Zehn ist Ihre Zeit, nicht wahr?«, fragte Perak. Er glaubte, Gloria lächeln zu hören. Ein kleiner Ausstoß des Atems.
Es klang amüsiert.
»Um zehn bin ich bei Ihnen.« Philip Perak wollte etwas erwidern. Sein Glück kundtun.
Seine Vorfreude. Sich ihrer nochmal versichern. Doch Gloria hatte aufgelegt. Er blieb an seinem Schreibtisch sitzen und sah den Hörer ehrfürchtig an, und flüchtig streiften die Qualen, die er in der letzten Nacht durchlitten hatte, sein Gedächtnis.
Wie anders würde die nächste werden. Perak dachte ans Vögeln. Er würde es wagen mit der Saphirblauen.
Austern. Aß man sie im August?
Keine Austern. Das erinnerte ihn viel zu sehr an das Debakel, das er vor Monaten mit der drallen Dame erlebt hatte.
Perak sah an sich hinunter. Er war noch nicht vollständig angekleidet. Zu dem Panamahemd mit den großen Streifen trug er noch immer seine Schlafanzughose.
Er war in seinem Ankleidezimmer gewesen, als das Telefon geklingelt hatte. Da hatte er gerade das rosa Hemd mit den weißen Streifen angezogen, in der Hoffnung, dass ihn das ein wenig frischer wirken ließ. Nach dieser Nacht.
War er nicht ein wirklicher Kämpfer?
Perak kehrte zu seinen Kleidern zurück und wählte eine leichte Hose, auch wenn es wirklich keine Hundstage waren, die ihn da draußen erwarteten.
Vielleicht war die kühle Witterung sein Glück. Sonst hätte die Saphirblaue noch auf den Balkon hinausgewollt.
Perak schloss die Augen. Nur der Gedanke daran ließ ihn aus höchsten Höhen tief fallen. Er schauderte.
Der Tee, den er sich eher lieblos mit einem Fertigbeutel bereitete, beruhigte seine Nerven wieder.
Er dachte über die Köstlichkeiten nach, die er kaufen wollte.
Sann darüber, welche Blumen ihr die liebsten waren.
Perak hatte gerade die Schublade des Schreibtisches aufgezogen, um die Schlüssel für Auto und Garage zu entnehmen, als ihm ein wunderbarer Gedanke kam.
Er nahm einen dritten Schlüssel heraus, einen kleinen, und öffnete die linke Schreibtischtür. Ganz hinten war das Geheimfach, das seiner Mutter so gefallen hatte, dass sie vermutlich darum diese ganze Kollektion
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