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Verbannt

Verbannt

Titel: Verbannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Cast
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Schwestern ...“ Meine Stimme klang unheimlich. Sie schien nicht von meinen Lippen zu kommen, sondern von den obersten Ästen des Baumes widerzuhallen. Im gleichen Moment, in dem ich den Baum im Kern dieser kleinen Lichtung berührte, verzehnfachte sich dessen Kraft.
    Mit gesammelter Konzentration dachte ich an Clints Beschreibung meiner Aura und stellte mir das glitzernde Silber vor. Das Silber eines Vollmonds ... das Silber einer ätherischen Stute ...
    Ich nahm Clints Kraft auf, mischte sie mit der Wärme der Bäume und warf sie wie eine dicke Schnur in die Nacht aus, damit sie nach meinem Spiegelbild suchte.
    Mit fest geschlossenen Augen folgte ich dem Fühler. Er schoss gerade nach oben und dann in Richtung Norden, in die Dunkelheit der kalten Nacht. Diese Reise war anders als der magische Schlaf. Ich konnte fühlen, wohin der Fühler reiste, aber ich war kein Teil von ihm. Es war mehr, als würde ich durch ein extrem langes Teleskop schauen. Mein Blickfeld war eingeschränkt, aber ich konnte die Richtung spüren und sah die wolkige, sternlose Nacht an mir vorbeirauschen.
    Plötzlich erleuchteten die beinahe schmerzhaft grellen Lichter einer Stadt den nächtlichen Himmel, und der Fühler schoss gerade durch die gläserne Hülle eines unglaublich hohen Hochhauses. Dort schmolz er durch die Decke in einen opulent eingerichteten Raum, der nur vom Licht der Kerzen in einem guten Dutzend Kandelabern erhellt wurde. Ich zog mehr Kraft aus den Bäumen und spürte, wie mir der Atem stockte, als der Fühler sich in Richtung einer weiblichen Gestalt bewegte, die sich graziös auf einem dick gepolsterten Diwan ausruhte. Neben ihr saß ein falkengesichtiger alter Mann mit grauen Haaren, der mir vage bekannt vorkam. Meine Aufmerksamkeit blieb nicht lange bei ihm, sondern wandte sich der Frau zu. Sie hatte mir den Rücken zugekehrt. Ihr goldenes Haar lockte sich mit vertrauter Wildheit über ihre Schultern. Der Fühler kroch näher, und die Aura der Frau begann zu glühen. Perlmutternes Silber, durchzogen von pflaumenroten Strahlen.
    Rhiannon stieß zischend den Atem aus und bleckte die Zähnen, während sie aufstand und in einer flüssigen Bewegung herumwirbelte, sodass sie dem Fühler gegenüberstand. Sie trug ein Seidenkleid in der Farbe der goldenen Kandelaber. Der Stoff schmiegte sich verführerisch um ihre Kurven und überließ kaum noch etwas der Vorstellung des Betrachters.
    Heilige Scheiße, das war ja ich. Einen Moment ließ meine Konzentration nach, und ich spürte, wie meine Kontrolle über den Fühler wankte.
    Reiß dich zusammen, Shannon! Ich zog mehr Energie aus den Bäumen und hielt mich daran fest, zwang mich, zu ignorieren, wie beunruhigend es war, diese Version von mir anzuschauen.
    Der Mann an ihrer Seite setzte zum Sprechen an, aber sie spuckte nur ein einziges Wort in seine Richtung: „Still.“ Ihre gesamte Aufmerksamkeit richtete sich auf den Strahl der Kraft, der offenbar nur für ihre Augen sichtbar vor ihr pulsierte.
    „Bist du das, Thronräuberin? Welchen Zweck hat dieses Eindringen in meine Privatsphäre?“
    Meine Stimme – sie hatte meine Stimme. Wieder sackte meine Konzentration ab.
    Sie lachte. „Ist es zu schwer für dich? Ja, es muss schon komisch sein, mit anzusehen, was man mit Wissen und Macht erreichen kann, wenn man selbst diese Fähigkeiten nicht besitzt.“
    Sie breitete die Arme aus, um den reich dekorierten Raum zu umfassen. Ihre Stimme war höhnisch; sie klang so wie ich, wenn ich besonders sarkastisch war.
    Dieser eine Gedanke brach den Bann.
    Es war nur ich – nur eine verwöhnte, egoistische, unmoralische Version meiner selbst.
    Ich lächelte und spürte, wie die Macht wieder durch mich hindurchfloss. Ich wusste genau, was ich zu sagen hatte.
    „Eigentlich dachte ich, es wäre nur höflich, dir für das Geschenk zu danken, das du mir hinterlassen hast.“ Meine Stimme umfloss sie, als wäre ich eine reale Präsenz in dem Raum. Ich sah den Mann erstaunt blinzeln. Rhiannon kniff ihre grünen Augen zu Schlitzen zusammen.
    „Ich habe dir in keiner Welt irgendetwas Nützliches hinterlassen, du Dummkopf.“
    „Wirklich?“ Ich schaffte es, überrascht zu klingen, und schnurrte die nächsten Worte fast wie eine Katze: „Ich habe viele Verwendungen für Clint gefunden. Beinahe so viele wie er für mich.“
    „Du lügst“, kreischte sie.
    (Notiz an mich: Nicht kreischen, wenn du wütend wirst. Das ist wirklich nicht attraktiv.)
    „Komm her und überzeug dich selbst.

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