Verbannt
nicht das Recht dazu hätte. Und vielleicht kann ich mehr tun als Steinsager, um dem Stamm zu helfen …
»Ihr müsst dem Stamm des eilenden Wassers eine Botschaft überbringen«, miaute er. »Sagt ihnen, die Clan-Katzen sind gekommen, um ihnen gegen die Fremden zu helfen.«
Die Geister der Vorfahren schauten sich an und schüttelten dann die Köpfe. Die hell leuchtende Katze, die zuvor schon gesprochen hatte, erhob sich. »Der Stamm braucht keine Hilfe.«
»Wie kannst du das sagen?«, rief Häherpfote überrascht. »Der Stamm ist am Verhungern.«
»Es gibt nichts, das wir dagegen tun können.« Der Vorfahre, der Häherpfote vom Grat herabgeführt hatte, senkte voller Scham den Kopf. »Wir haben versagt.«
»Die Berge sind nicht mehr sicher«, murmelte eine andere Katze. »Wir haben darauf vertraut, dass sie uns schützen, doch sie haben uns im Stich gelassen.«
Einen Moment lang fand Häherpfote keine Worte inmitten der Wogen von Scham und Verrat, die von den Sternenkatzen aufstiegen. Er kämpfte, um sie abzuschütteln und seinen Kopf zu klären.
»Der Stamm darf nicht einfach so aufgeben«, beharrte er. »Er muss kämpfen, um sich zu verteidigen.«
Zwei Katzen, die noch frische Wunden trugen, standen auf und trotteten um den See, bis sie vor Häherpfote standen. »Wir sind im Kampf gestorben«, miaute die erste und betrachtete die Wunden an ihrem Körper. »Es darf nicht noch mehr Blut vergossen werden. Der Stamm glaubt nicht an den Kampf.«
Häherpfote schnippte mit dem Schwanz. »Aber die Fremden tun es. Und meine Clan-Gefährten werden den Stammeskatzen helfen, ob sie wollen oder nicht.«
Die andere verwundete Katze trat mit gesträubtem Nackenfell vor. »Die einzige Möglichkeit wäre, den Stamm in einen Clan zu verwandeln. Und das wollen die Katzen nicht. Es entspricht nicht der Art des Stammes, gegen andere Katzen zu kämpfen und sie zu töten.«
»Die Dinge ändern sich«, wandte Häherpfote mit zuckenden Ohren ein.
»Nicht immer zum Besseren«, gab die Geisterkatze zurück.
Die Worte hallten in Häherpfotes Ohren nach. Ein Nebelschleier stieg vom See auf und wirbelte um ihn herum, bis er den Stamm der ewigen Jagd nicht mehr sehen konnte. Der Nebel wurde immer dunkler, bis Häherpfote merkte, dass er wieder in der Höhle war und Distelpfote ihn anstupste.
»Los, wach auf«, drängte sie ihn. »Steinsager hat ein Treffen einberufen. Alle Katzen versammeln sich in der Mitte der Höhle.«
Mit schwerem Kopf kam Häherpfote auf die Beine. Der Felsenkessel in den Bergen und der See mit den leuchtenden Katzen am Ufer kamen ihm wirklicher vor als diese Höhle.
»Ja, spring nicht gleich aus dem Fell«, brummelte er. »Ich komme schon.«
Er folgte Distelpfotes und Löwenpfotes Geruchsspur aus der Schlafkuhle und zur Höhlenmitte, wo sie sich zu den anderen Clan-Katzen gesellten. Häherpfote rutschte unruhig auf dem kalten Fels hin und her, während das Murmeln vieler Stimmen von Clan- und Stammeskatzen ihm in den Ohren hallte.
Auf einmal verstummte das Geflüster. Häherpfote stellte sich vor, wie der magere alte Kater aus seinen Träumen vor die Katzen trat und auf den Fels sprang, von dem aus er Sturmpelz verbannt hatte. So ist das also, dachte er. Jetzt werden wir auch zu Verbannten erklärt. Und vermutlich werden sie uns nicht mal was zu fressen geben, bevor sie uns rauswerfen.
»Katzen vom Stamm des eilenden Wassers«, hob Steinsager an. »Letzte Nacht habe ich die Zeichen im Wasser und im Sternenlicht gelesen, und der Stamm der ewigen Jagd hat zu mir gesprochen. Sie wollen nicht, dass wir aus unserer Heimat in den Bergen vertrieben werden. Deshalb habe ich beschlossen, die Hilfe der Clan-Katzen anzunehmen.«
Häherpfote klappte das Maul auf. Steinsager log! Das hatte der Stamm der ewigen Jagd nicht gesagt, ganz und gar nicht! Steinsager musste sich in der Nacht besonnen und entschieden haben, nicht auf seine Vorfahren zu hören.
Lautes Stimmengewirr brach aus, als Steinsager verstummte. Häherpfote konnte einige protestieren hören, doch die meisten Katzen schienen neugierig zu lauschen, was die Clan-Katzen vorzuschlagen hatten. Wie er vermutete, taten die Stammeskatzen alles, was Steinsager sagte. Gestern hatte er nicht gewollt, dass die Clan-Katzen blieben, da war sein Stamm auch seiner Meinung gewesen. Und heute sagte er, sie sollten ihre Hilfe ruhig annehmen. Konnten diese Katzen nicht für sich selbst denken?
»Ruhe!« Steinsager hob die Stimme. »Wir werden uns anhören, was
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