Verbannte der Ewigkeit
einerseits froh, daß Latimer das getan hatte, auf der anderen Seite aber war das Privateigentum im Lager streng geschützt, und es war ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der Lagerbewohner. Deshalb hatte Barrett auch Latimer nicht direkt aufgefordert, Hahns Aufzeichnungen herauszusuchen, denn er konnte es sich nicht leisten, offen den Befehl dazu zu geben.
Auf der anderen Seite war aber natürlich äußerst wichtig, zu wissen, was Hahn hier tat. Die Verantwortung, die Barrett als Oberhaupt des Lagers trug, verpflichtete ihn, über alles Bescheid zu wissen.
»Ich weiß nicht, ob ich es lesen sollte, Don«, sagte er schließlich. »Immerhin ist es seine Privatsache …«
»Wir müssen über diesen Mann Bescheid wissen, Jim.«
»Ja, aber eine Gesellschaft hat sich an ihre Grundsätze zu halten, selbst wenn sie sich gegen mögliche Feinde verteidigt. Das haben wir von den Syndikalisten immer wieder gefordert, erinnerst du dich?«
»Kann man uns hier als eine Gesellschaft bezeichnen?« fragte Latimer.
»Aber sicher. Wir sind die gesamte Bevölkerung eines Planeten, ein Mikrokosmos, und ich repräsentiere den Staat, der sich an seine eigenen Gesetze zu halten hat. Ich bin mir nicht schlüssig, ob ich mir das ansehen sollte, was du da hast, Don.«
»Ich meine, du solltest es. Wenn dem Staat wichtige Hinweise in die Hände fallen, hat er die Aufgabe, sie zu überprüfen. Ich will damit sagen, daß wir uns nicht nur um Hahns Wohlergehen zu kümmern haben, sondern du mußt auch an die anderen denken.«
»Steht etwas Wichtiges darin?«
»Das kann man wohl sagen«, warf Altmann ein. »Er ist überführt.«
Ruhig sagte Barrett: »Denkt immer daran, daß ich euch nicht den Auftrag gegeben habe, mir diese Aufzeichnungen zu bringen. Die Tatsache, daß ihr bei ihm geschnüffelt habt, ist eine Sache zwischen euch und Hahn, solange jedenfalls, wie es nicht an die Öffentlichkeit kommt. Ist euch das klar?«
Latimer schien verletzt. »Ja, ich glaube schon. Ich fand diese Aufzeichnungen unter seiner Matratze, nachdem er mit Rüdiger hinausgefahren ist. Ich weiß, daß ich in seinem Privatleben nicht zu schnüffeln habe, aber ich mußte wissen, was er da schreibt. Da ist es – er ist ein Spion.«
Er reichte Barrett den Stapel Blätter, und Barrett nahm sie, ohne einen Blick auf die Aufzeichnungen zu werfen. »Ich sehe es mir gleich an. Erzählt mir erst in groben Umrissen, was darin steht.«
»Es handelt sich um eine Beschreibung des Lagers und der meisten Bewohner, jedenfalls derjenigen, die er schon kennt.« Latimer lächelte frostig. »Die Beschreibungen gehen ziemlich ins Detail und sind nicht gerade Lobeshymnen. Hahn meint zum Beispiel von mir, daß ich verrückt sei und es nur nicht zugeben wolle. Was er über dich schreibt, ist etwas vorteilhafter, aber auch nicht sehr.«
»Die Meinung dieses Mannes ist nicht unbedingt maßgebend«, sagte Barrett. »Er darf schließlich denken, was er will, und wenn er meint, wir wären alle verrückt, hat er damit nicht ganz unrecht. Nun gut, er macht sich also Notizen über uns, aber ich sehe nicht, warum das ein Grund zur Aufregung sein sollte.«
Altmann sagte gleichmütig: »Er hat sich auch beim Hammer herumgetrieben.«
»Was?«
»Ich sah ihn letzte Nacht hingehen. Er ging ins Gebäude, und ich folgte ihm, ohne daß er es bemerkte. Er betrachtete den Hammer und ging mehrmals um ihn herum, ohne ihn allerdings anzurühren.«
»Warum hast du mir das nicht sofort gemeldet?« fragte Barrett scharf.
Altmann schien verwirrt und fuhr sich nervös mit der Hand durch sein schütteres blondes Haar. »Ich war nicht sicher, ob es wichtig ist«, sagte er schließlich. »Vielleicht war er auch nur neugierig, außerdem wollte ich erst mit Don darüber sprechen, was ich nicht konnte, bevor Hahn mit Rüdiger hinausgefahren war.«
Barrett brach der Schweiß aus. Ihm fiel ein, daß er es hier mit ziemlich kranken Menschen zu tun hatte, deren Selbstbewußtsein vom kleinsten Stoß vernichtet werden konnte, und so bemühte er sich, sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen. »Hör zu Ned: Wenn du jemals wieder Hahn siehst, wie er sich am Hammer zu schaffen macht, meldest du es mir sofort. Es ist ganz egal, ob ich schlafe, esse oder mich ausruhe. Und ohne, daß du vorher zu jemand anderem darüber sprichst, verstanden?«
»Verstanden.«
»Du hast davon gewußt?« fragte Barrett dann Latimer.
Latimer nickte. »Ned erzählte mir davon, bevor wir hier herunter gekommen sind. Aber ich
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