Verbannte der Ewigkeit
hielten sich jetzt abseits von ihm, da sie seine Gefühle kannten und respektierten. Sie alle wußten von den dreißig Jahren, die ihn mit Valdosto verbunden hatten, wußten von den wilden Nächten und den stürmischen Tagen, die diese beiden Männer gemeinsam verbracht hatten. Einige der Männer im Lager hatten den Tag noch erlebt, an dem Valdosto auf dem Hammer erschienen war, und Barret sich ungeheuer gefreut hatte, ihn wiederzusehen. Eine der letzten Verbindungen zur Vergangenheit war heute zerrissen, aber, so sagte Barrett sich, Valdosto war lange vor dem heutigen Tag verloren gewesen.
Es wurde langsam dunkel, und vorsichtig kletterte Barrett wieder die Klippen hinaus zum Lager. Eine halbe Stunde später kam Rüdiger zu ihm.
»Die See ist jetzt ruhig. Valdosto ist ans Ufer gespült worden.«
»Wo ist er jetzt?«
»Zwei von den Männern bringen ihn für die Zeremonie herauf. Dann legen wir ihn ins Boot und fahren hinaus.«
»Gut«, sagte Barrett. Die einzige Möglichkeit, jemanden zu begraben, bestand in dieser Zeit darin, ihn dem Meer zu überantworten. In den nackten Fels konnte man keine Gräber schaufeln. Normalerweise hätte Barrett eine kurze Trauerfeier am Seeufer abgehalten, und dann hätte man die Leiche, gut mit Steinen beschwert, wieder hinausgefahren. Aber da der Weg zum Wasser für Barrett seit einiger Zeit mit großen Mühen verbunden war, trug man die Leiche Valdostos wieder hinauf ins Lager. Irgendwie erschien das sinnlos, und Barrett dachte, daß es besser gewesen wäre, Valdosto wäre gleich draußen geblieben.
Barrett machte es kurz. Er sprach kurz über die Freundschaft zwischen ihm und Valdosto, von den alten Tagen, über Valdostos revolutionäre Ambitionen. Die meisten dieser Informationen hatte er allerdings selbst aus zweiter Hand erfahren, denn während Valdostos aktiver Zeit war er bereits im Gefängnis gewesen. Zwischen 2006 und 2015 hatte Valdosto die Regierung mit Bombenanschlägen und Überfällen in Atem gehalten.
»Man wußte, daß er dahintersteckt«, sagte Barrett, »konnte ihn aber nicht fassen. Sie jagten ihn jahrelang, bis sie ihn endlich erwischten und ein Verfahren einleiteten – ihr habt ja alle davon gehört, und wißt, welche Art von Verfahren man damals pflegte. Für viele Jahre war Val auch hier ein führender Mann, aber es war nicht seine Natur, Gefangener zu spielen. Er fand sich in einer Welt, in der er nicht gegen das verhaßte Regime kämpfen konnte, nicht zurecht. Das zerstörte ihn innerlich, und wir konnten nichts dagegen tun. Wir haben unser Bestes versucht – leider vergeblich. Möge er jetzt in Frieden ruhen.«
Zwei Helfer hoben den toten Körper auf und trugen ihn in Richtung See davon. Die meisten Teilnehmer der Trauerzeremonie gingen hinterher, Barrett selbst allerdings nicht. Er stand reglos da und sah dem Trauerzug nach, bis die Männer hinter den Felsen verschwunden waren. Dann wandte er sich um und ging in seine Hütte zurück. Kurze Zeit später schlief er fest.
Kurz vor Mitternacht wurde Barrett durch eilige Schritte vor seiner Hütte geweckt. Als er sich aufrichtete und nach dem Lichtschalter tastete, kam Ned Altmann zur Tür hereingestürmt.
»Was ist los, Ned?« fragte Barrett blinzelnd.
»Hahn«, keuchte Altmann. »Er macht sich wieder am Hammer zu schaffen. Gerade ist er in das Hauptgebäude gegangen.«
Barretts Benommenheit verflog im Nu. Trotz der Schmerzen in seinem linken Bein war er in Sekunden aus dem Bett und hatte ein paar Kleidungsstücke ergriffen. Er war erregter, als er Altmann zeigen wollte, und setzte einen eiskalten Gesichtsausdruck auf. Dabei überschlugen sich seine Gedanken. Wenn Hahn den Hammer wirklich beschädigte, würden sie nie mehr Nachschub erhalten … Was mochte er dort vorhaben?
Während er sich eine Hose überstreifte, sagte Altmann: »Latimer ist in der Nähe und beobachtet ihn. Er wurde mißtrauisch, als Hahn nicht zur Nachtzeit zurückkehrte, und er sagte mir Bescheid. Ich beobachtete ihn dann auf dem Weg zum Hauptgebäude.«
»Was tat er konkret?«
»Ich weiß es nicht. Sobald ich ihn in das Hauptgebäude gehen sah, lief ich hierher. Das sollte ich doch tun, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Barrett. »Komm.«
Unter höllischen Schmerzen beeilte sich Barrett, möglichst mit dem anderen Schritt zuhalten. Die Krücke quälte sein Armgelenk, wenn er sein Gewicht darauf verlagern mußte, und wütend wünschte er sich, endlich zum Hauptgebäude zu kommen, das wie eine Fata Morgana vor ihnen im
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