Verborgen im Niemandsland
das Floß gute fünfzig Yards flussaufwärts und dort in ein Dickicht, das vom anderen Ufer aus nicht so leicht einsehbar war.
»Und was ist mit dem Seil?«, fragte Stuart Fitzroy und sprach damit ein Dilemma an. Wenn sie irgendwann einmal wieder über den Fluss wollten und der Wasserstand dann so hoch war wie jetzt, waren sie auf das starke Führungsseil angewiesen. Sie konnten es also nicht einfach durchtrennen.
Schließlich entschieden sie sich für Stuart Fitzroys Vorschlag, zwei mittelgroße Holzfässer mit Steinen zu beschweren, sie mit Stricken zu umwickeln und diese Tonnen dann am Seil zu befestigen, damit das Seil tiefer ins Wasser gezogen wurde und nur ins Auge fiel, wenn man direkt am Übergang stand. Aber damit die Tonnen auch weit genug in der Mitte des Flusses am Seil hingen und dieses mit ihrem Gewicht unter die Oberfläche zogen, mussten Andrew und Terence Rigby sich noch einmal ins Wasser wagen, sich mit einer Hand am Seil entlanghangeln und sich gegen den Druck der Strömung behaupten, während sie die Fässer hinter sich her zerrten. Aber auch dies gelang ohne einen bösen Zwischenfall.
Am frühen Nachmittag machte sich die Wagenkolonne wieder auf den Weg nach Südwesten. Rosanna setzte sich zu Emily auf den Kutschbock des McGregor-Fuhrwerks. Einer der beiden Zugochsen, mit denen Emily und ihr Vater aus der Kolonie aufgebrochen waren, hatte es sicher über den Fluss geschafft, und Silas Mortlock hatte Emily für den Weiterweg seinen dritten Ochsen überlassen, damit ihr Wagen mit dem Tempo des Trecks auch weiterhin mithalten konnte. Zwei Zugtiere waren unbedingt nötig, denn vor ihnen lag bergiges Gelände. Und wenn diese Bergrücken auch nicht annähernd so hoch und zerklüftet wirkten wie die eindrucksvolle Barriere der Blue Mountains, so mussten sie doch damit rechnen, mit den schweren Wagen so manche Steigung bewältigen zu müssen.
In diesen restlichen Stunden des Tages schafften sie nur wenige Meilen. Noch bevor die Dämmerung einsetzte, schlugen sie ihr Lager am Fuß einer der Bergketten bei einer kleinen Quelle auf.
Nachdem die Wagen im Kreis aufgestellt, die Tiere versorgt und die Wachen aufgeteilt waren, loderten die Kochfeuer im Innern der Wagenburg auf. Nach dem Essen setzten sich die Siedler auf Silas Mortlocks Zuruf zu einer Beratung zusammen.
»Wir müssen darüber reden, was nun aus Emily McGregor werden soll«, sagte er. »Nach dem tragischen Tod ihres Vaters steht sie allein da. Und das zwingt uns, nach einer Lösung zu suchen. Denn wir können sie nicht einfach sich selbst überlassen. Emily ist zu jung und zu unerfahren, um alle Entscheidungen selbst zu treffen.«
»}a, sie braucht unser aller Beistand«, pflichtete Rosanna ihm bei. »Und nicht nur in der Zeit ihres Kummers.«
Sie erntete damit allgemeines Kopfnicken und zustimmendes Gemurmel.
»Das ist richtig, Rosanna«, sagte Andrew. »Aber ich denke mal, sie braucht mehr als nur unseren Beistand. Sie braucht eine neue Familie.«
Silas Mortlock nickte. »So sehe ich es auch. Also lasst uns darüber nachdenken, wer von uns sie aufnimmt und zukünftig für sie sorgt.«
Emily saß mit gesenktem Kopf zwischen Rosanna und Abby, und es schien, als hörte sie überhaupt nicht, worüber die Männer und Frauen um sie herum redeten.
Für einen langen Moment trat Stille ein, als wartete jeder darauf, dass der andere sich für diese Aufgabe zur Verfügung stellte.
Abby entgingen nicht die verstohlenen Blicke, die sich die Ehepaare zuwarfen, sichtlich unentschlossen, ob sie es wagen sollten, sich zu melden und die Verantwortung für Emily zu übernehmen. Die Vorstellung, angesichts einer sehr ungewissen Zukunft auch noch ein vierzehnjähriges Mädchen an Eltern statt anzunehmen, ließ offensichtlich alle zögern.
Abby vermochte das peinliche Schweigen nicht länger zu ertragen. Sie tauschte einen schnellen Blick mit Andrew, der ihr kaum merklich zunickte, und sagte dann in das Schweigen: »Wir nehmen Emily gerne bei uns auf, wenn sie selber damit einverstanden ist.«
»Ja, sie ist in unserer Familie herzlich willkommen«, bekräftigte Andrew.
Emily hob noch immer nicht den Kopf und zeigte auch keine andere Reaktion, die verraten hätte, was sie von diesem Angebot hielt.
Silas Mortlock machte ein erleichtertes Gesicht, und er war nicht der Einzige, der darüber erleichtert schien, dass sich eine Familie für Emily gefunden hatte. »Gut, dann ist das also geklärt. Emily bleibt bei den Chandlers. Sie wird es gut bei ihnen
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