Verborgen im Niemandsland
durch die Rechnung gemacht und dir durch die Lappen gegangen ist. War schon eine tolle Glanzleistung, wie sie dich zum Narren gehalten hat. Der kannst du sowieso nicht das Wasser reichen.« Er grinste sie hämisch an. »Und vielleicht warst du doch im Suff, als du ihr Gespenst gesehen hast! Oder hat dieser Major... Wie hieß der Kerl doch gleich? Ach ja, Major Robert Coburn! Also haben die Erkundigungen von Lieutenant Danesfield bei diesem Major denn irgendetwas gebracht? Nein, im Sand verlaufen ist die Sache, wenn ich mich recht erinnere.«
»Danesfield hat ihn ja gar nicht mehr befragen können, weil der Major im Suff von seinem Pferd gestürzt ist und sich dabei so schwer am Kopf verletzt hat, dass er kurz darauf gestorben ist!«, hielt Cleo ihm wütend vor.
»Ja, eine richtige Gottesfügung - und zwar für uns alle, findest du nicht?«, höhnte er. »Du solltest dir seinen unschönen Tod eine Warnung sein lassen! Sonst passiert dir noch dasselbe, so sinnlos betrunken, wie du oftmals durch die Rocks taumelst und dabei ewig von dieser Abby vor dich hin brabbelst!«
Sie ballte die Rechte zur Faust, als wollte sie ihn gleich schlagen. »Spar dir deine einfältigen Moralpredigten, Winston!
Glaubst du, ich weiß nicht, was du hinter meinem Rücken mit der Rothaarigen treibst, die du so komfortabel in einer Einzelzelle untergebracht hast? Also komm mir nicht mit deinem Predigergesäusel, verstanden?«, keifte sie ihn an. »Und was das Miststück Abby angeht, so weiß ich, wen ich da in der Kutsche gesehen habe! Ich werde mich keinesfalls damit abfinden, dass sie mir und den Leuten auf dem Norfolk-Segler ein Schnippchen geschlagen hat! Ich kriege sie, ganz egal wie lange es auch dauern mag, darauf kannst du Gift nehmen! So, und jetzt halt mich nicht länger auf!«
Grob stieß sie ihn aus dem Weg, riss die Tür auf und stiefelte hinaus, ohne sich die Mühe zu machen, die Brettertür hinter sich zu schließen.
Sie kochte innerlich vor Wut. Nicht nur weil Winston sich wieder einmal wegen ihrer Schlappe mit Abby über sie lustig gemacht hatte, sondern auch weil er mit der Erwähnung von Major Coburn einen empfindlichen Punkt bei ihr berührt hatte. Sie verfluchte den Offizier in Gedanken, weil er ihr das angetan hatte. Nicht dass sie irgendeinem Rotrock-Offizier, der in der Kolonie ein frühes Ende fand, auch nur eine Träne nachgeweint hätte. Verflucht sollten sie alle sein, dieses Tyrannengesindel im königlichen Rock! Aber hätte Major Coburn denn nicht ein paar Tage später stockbetrunken vom Pferd fallen und sich den Kopf an einem spitzen Felsbrocken einschlagen können?
Mit grimmiger Miene und gesenktem Kopf stapfte Cleo wie ein gereizter, angriffslustiger Stier zur Garnison hoch. Nichts gelang ihr mehr, seit Abby sie um ihre Rache gebracht und sie bis auf die Knochen blamiert hatte! Sogar Winston, der ihr bis dahin aus der Hand gefressen und nicht gewagt hatte, ihr die Stirn zu bieten oder ihr gar irgendwelche Vorschriften zu machen, hatte nach dem Debakel mit Abby die Kontrolle über das Gefängnis nach und nach wieder an sich gerissen und ihre Macht über die Insassen empfindlich beschnitten. Aber darüber war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wenn Abby erst wieder hinter Schloss und Riegel saß, würde Winston sie richtig kennen lernen, so wahr sie Cleo hieß!
Als sie wenige Minuten später die Garnison erreichte und die Schreibstube von Sergeant Simonton betrat, reagierte dieser sehr ungnädig, als er sah, wer ihm da wieder einen Besuch abstattete.
»Was willst du denn schon wieder?«, fragte er ungehalten.
»Nur bedanken wollte ich mich, Sergeant Simonton«, log Cleo mit einem falschen demütigen Lächeln, zog die Flasche Madeira hervor und stellte sie vor ihm auf den Tisch. Sie wusste, dass er für dieses Getränk eine große Schwäche besaß, war ihm doch einmal eine solche Bemerkung entschlüpft. »Dafür, dass Sie immer so freundlich sind, trotz Ihrer vielen Arbeit mir von Ihrer kostbaren Zeit dann und wann ein paar Minuten zu schenken, und mich immer über alles unterrichten, was im Fall Abby Lynn Chandler geschieht.«
Das Gesicht des schwergewichtigen Mannes nahm einen entspannteren, freundlicheren Ausdruck an. »Madeira?«, rief er erfreut. »Und dann auch noch von der edlen Sorte! Na, das lasse ich mir gefallen.« Schnell ließ er die Flasche unter dem Tisch verschwinden.
»Stets gern zu Diensten, Sergeant Simonton«, sagte Cleo und deutete einen servilen Knicks an. Dann aber schlich
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