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Verborgen im Niemandsland

Verborgen im Niemandsland

Titel: Verborgen im Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
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müssen, bis man nach ihnen suchte und sie hier fand. Dann jedoch sah Emily, wie er die Arme am Stamm erst zögerlich auf und ab bewegte, als taste er den Baum mit den Innenseiten seiner Unterarme ab. Auch richtete er sich nun auf und führte die Arme hinter dem Stamm so weit nach unten, wie es ihm möglich war. Plötzlich nickte er ihr sichtlich aufgeregt zu, und auf seinem Gesicht zeigte sich sogar ein Grinsen, als wollte er ihr damit ein stummes, hoffnungsvolles Zeichen geben.
    Emily verrenkte sich den Kopf, um von ihrem Platz aus zu sehen, was er da wohl ertastet hatte. Und dann glaubte sie zu wissen, was ihn in Aufregung versetzt hatte: Er musste auf der Rückseite des Stammes irgendeine scharfe Kante erfühlt haben. Vielleicht aufgebrochene Borke oder das spitze Ende eines abgebrochenen Astes.
    Hoffnung und Mitgefühl erfüllten sie zugleich, als sie nun hilflos mit ansehen musste, wie sehr er sich anstrengte, um seine Handfessel an dem vorspringenden Teil des Baumes durchzuscheuern. Sein Gesicht verzog sich immer wieder vor Schmerz, wohl weil er nicht vermeiden konnte, sich dabei die Haut blutig zu scheuern. Immer wieder hielt er inne, um neue Kraft zu schöpfen und zu warten, bis der Schmerz wieder erträglich geworden war.
    Emily wusste hinterher nicht zu sagen, wie lange er sich so gequält hatte. Aber eine gute viertel Stunde mindestens, wenn nicht gar eine halbe. Ihr erschien sie wie eine halbe Ewigkeit.
    Dann stürzte Stanley plötzlich vornüber ins Gras, als die letzten Fasern seiner Handfessel rissen und er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Noch im Liegen riss er sich den Stoffstreifen vom Kopf und spuckte den Knebel aus.
    »Dieser verfluchte Schweinehund!«, stieß er atemlos hervor und löste die Knoten in den Stoffstreifen, mit denen er seine Füße hatte zusammenbinden müssen. »Dafür wird er büßen!«
    Dann richtete er sich mit einem unterdrückten Stöhnen auf, warf einen flüchtigen Blick auf seine blutigen Unterarme und lief zu Emily hinüber, um nun auch sie von Knebel und Fesseln zu befreien.
    Mit einem lauten Aufschluchzen fiel sie ihm in die Arme. Sie hatte Mühe, sich aufrecht zu halten, so sehr zitterten ihr die Beine.
    Er hielt sie fest in seinen Armen, barg ihren Kopf an seiner Brust und fuhr ihr tröstend über das Haar. »Ganz ruhig, mein Schatz... Ganz ruhig... Jetzt ist es vorbei... Denk immer daran, dass es viel schlimmer hätte kommen können!... Ganz ruhig, mein Liebling. Ich bin ja bei dir... Jetzt ist alles in Ordnung... Wir werden ihn kriegen, auch wenn er noch so viele Stunden Vorsprung hat.«
    Emily riss sich schließlich zusammen und wischte sich die Tränen vom Gesicht. »Lass mich deine Arme sehen!... O mein Gott!«, rief sie entsetzt, als sie sah, wie schrecklich er sich selbst hatte zurichten müssen, um sich von der Fessel zu befreien.
    »Es sieht schlimmer aus, als es ist! In ein paar Tagen ist davon kaum noch etwas zu sehen«, versicherte er und entzog ihr seine Hände schnell. »Wir müssen jetzt so schnell wie möglich zum Haus und Alarm geben!«
    Emily sah an sich herunter, trug sie jetzt doch nur noch ihre Leibwäsche. »Aber so kann ich Andrew und Abby unmöglich unter die Augen treten!«, sagte sie betroffen. »Und die Rigbys und Mister Brown sind auch noch bei uns! Bestimmt sitzen sie noch immer vorn unter der Veranda zusammen und reden über all die Dinge, die bei der nächsten Siedlerversammlung besprochen werden sollen!«
    Ein zärtliches Lächeln huschte über sein Gesicht. »Na ja, ich wüsste nichts, was reizvoller aussieht - doch, du selbst, wie Gott dich geschaffen hat, als Wassernixe da unten am Fluss herumplantschend«, scherzte er, wurde aber sofort wieder ernst. »Keine Sorge, du musst ihnen nicht so vor die Augen treten. Wir schlagen einfach einen Bogen oben um das große Queckendickicht. Dann kannst du unbemerkt von hinten ins Haus schlüpfen und dir schnell etwas überziehen. Ich werde derweil zwei, drei Minuten warten und mich dann erst vorn auf der Veranda zeigen. Auf das bisschen mehr Zeit, die Henry Blake dadurch gewinnt, kommt es jetzt auch nicht mehr an.«
    Sie nickte.
    Stanley gab ihr einen Kuss. »Und hab keine Angst, wenn wir gleich erzählen müssen, was vorgefallen ist - und warum wir beide hier gewesen sind. Es gibt nichts, wessen du dich schämen musst. Es macht mir auch nichts aus, ihnen zu sagen, dass wir uns hier schon oft heimlich getroffen haben. Ich bin im Gegenteil sogar ganz froh, dass die Heimlichtuerei damit ein

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