Verborgen im Niemandsland
Ende findet. Wir lieben uns und niemand wird uns deswegen Vorwürfe machen. Und wenn sie hören, was Henry Blake getan hat, werden sie sowieso mit ganz anderen Dingen beschäftigt sein und keine Zeit haben, uns mit moralischen Zurechtweisungen zusammenzustauchen.«
Emily seufzte. »Dein Wort in Gottes Ohr!«
Aufmunternd nickte er ihr zu und nahm ihre Hand. »Du wirst sehen, alles wird gut. Und wenn wir dennoch einige Vorhaltungen zu hören bekommen, werden wir die auch überstehen. Seien wir froh, dass wir so glimpflich davongekommen sind. Der Schweinehund Henry Blake hatte uns völlig wehrlos in der Hand. Aber nun lass uns gehen!«
Jede natürliche Deckung des ungerodeten McGregor-Geländes ausnutzend, schlichen sie hinüber nach Bungaree, schlugen weit oben um die vielen Queckenbüsche einen Bogen und näherten sich dann dem Farmhaus von der Rückseite.
»Nur den Kopf hoch! Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird!«, raunte Stanley ihr zu, gab ihr noch schnell einen Kuss und blieb zurück, während Emily nun auf die Rückfront des Blockhauses zulief und Augenblicke später durch die Hintertür schlüpfte.
Er zählte bis hundert, dann holte er tief Luft, kam hinter seinem Versteck hervor, ging mit festem Schritt auf das Haus zu und stand kurz darauf vor den Männern und Frauen, die unter dem vorspringenden Dach noch immer in ein lebhaftes Gespräch über die Belange ihrer Siedlung vertieft waren.
»Der junge Stanley! Was für eine nette Überraschung! Soll ich Emily rufen? Ich glaube, sie sitzt noch immer über ihrer aufwändigen Stickerei. Aber ich wette, die legt sie gern aus der Hand, wenn sie hört, wer da gekommen ist«, rief Abby mit einem verschmitzten Augenzwinkern. Dann jedoch fiel ihr Blick auf seine blutigen Unterarme und sie sprang auf. »Um Himmels willen, was ist dir denn zugestoßen?«
»Henry Blake...!«, stieß er mit belegter Stimme hervor und musste sich erst hastig räuspern, um weitersprechen zu können. »Er ist drüben am Grab von Emilys Vater über sie hergefallen, und ich habe in meiner Aufregung und Hast die Dummheit begangen, den falschen Knüppel aufzuheben, um ihn niederzuschlagen und außer Gefecht zu setzen.«
»Henry Blake ist über Emily hergefallen?«, fragte Douglas Brown ungläubig.
»Ja, er... er hatte ihr gerade das Kleid vom Leib gerissen und wollte... wollte sich an ihr vergehen, als ich dort aufgetaucht bin! Wir waren verabredet, Emily und ich. Zum Glück bin ich aber um einiges früher aufgebrochen, weil ich es nicht erwarten konnte, sie wiederzusehen. Wäre ich nur einige Minuten später gekommen, hätte Henry seine fürchterliche Tat wohl... ausgeführt. Aber so ist Emily mit einem bösen Schreck und einem in Fetzen gerissenen Kleid davongekommen«, sprudelte Stanley hastig hervor, um es hinter sich zu bringen. Dabei sah er, wie Emily vorsichtig die Vordertür öffnete. Sie trug ihr altes Arbeitskleid und ihr Gesicht hatte die Blässe eines ausgeblichenen grauen Leichentuches. Wie gern wäre er zu ihr getreten, um seinen Arm schützend um ihre Schultern zu legen.
Augenblicklich redeten sie alle aufgeregt durcheinander.
»Ruhe, Leute! Lasst ihn reden!«, rief Andrew und hob die Hände, worauf die Stimmen um ihn herum augenblicklich erstarben. »So, nun mal ganz langsam und schön der Reihe nach, Stanley! Was genau ist da drüben passiert, und vor allem: Wo ist Emily?«
»Ich bin hier«, kam Emilys zaghafte Stimme von der Tür. »Mir ist nichts passiert... dank Stanley!«
»Dem Himmel sei Dank!«, stieß Abby erleichtert hervor, eilte zu ihr und nahm sie in ihre Arme.
Stanley berichtete ausführlich und mit nun fester, sicherer Stimme, was sich vor Stunden am Gedenkkreuz von Thomas McGregor ereignet hatte. Er schilderte ihnen noch einmal seinen missratenen Versuch, Henry Blake niederzuschlagen, wie dieser sie dann an die Bäume gefesselt und ihn, Stanley, mit dem Messerende bewusstlos geschlagen hatte und wie viele Stunden es gedauert hatte, bis er wieder zu sich gekommen war und sich endlich von den Fesseln hatte befreien können.
»Verdammt!«, fluchte Terence. »Dann hat dieser Dreckskerl ja mindestens drei, vier Stunden Vorsprung und dürfte damit buchstäblich schon über alle Berge sein!« Er und auch die anderen zweifelten nicht eine Sekunde lang daran, dass Henry Blake hastig einige Sachen zusammengerafft und sich aus dem Staub gemacht hatte.
»Mir war doch, als hätte ich drüben am Oberlauf vom Emu Creek einen Wagen gesehen«, erinnerte
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