Verborgen im Niemandsland
zwischen drei und vier Uhr am Nachmittag, als sie sich einer scharfen Biegung näherten, wo zur Rechten eine Felswand steil aufragte. Der Weg, der in einem scharfen Bogen um diesen Berg herumführte, war nicht breiter als die Spurbreite von zwei Fuhrwerken, ließ sich jedoch auch mit einem schweren Gespann sicher passieren, wenn man sich nahe an der Felswand hielt und seinen Wagen mit mäßigem Tempo durch diese scharfe Engstelle führte.
Aber diese Umsicht hatte Henry, in der Angst vor seinen Verfolgern, wohl nicht walten lassen. Denn die Huf-und Wagenspuren blieben nicht auf dem ebenen, steinigen Boden der Biegung, sondern wanderten immer weiter nach links zum Rand, wo das Gelände in eine tiefe Schlucht abfiel. Kurz hinter der Mitte der Biegung brachen die Spuren ab - und zeigten hinaus in den dort klaffenden Abgrund.
»Allmächtiger!«, rief Douglas und zügelte sein Pferd, als er die jäh abbrechenden Spuren sah und die tiefen Einschnitte an der Abbruchkante, wo die Wagenräder vor dem Sturz in die Tiefe das Erdreich losgebrochen und mit sich in die Schlucht gerissen hatten.
Sie sprangen von ihren Pferden, banden sie hastig an einen verkrüppelten Busch, der sich in einer erdgefüllten Felsspalte behauptete, und traten dann vorsichtig an den Abgrund, um sich Gewissheit zu verschaffen, dass Henry an dieser Stelle zu viel gewagt und die Kontrolle über den Wagen verloren hatte und mit seinem Gespann in die Tiefe gestürzt war.
Und in der Tat, dort unten in der schmalen dunklen Schlucht, die von einem Farnenmeer, wildem Gestrüpp und Bäumen überwuchert war, lag der zerschmetterte, halb auseinander gebrochene Wagen. Die beiden Pferde waren nach dem Sturz aus einer Höhe von mehr als zweihundert Fuß bei dem ungeheuren Aufprall aus ihrem Geschirr gerissen worden. Der Apfelschimmel, den Henry den Rigbys von der Weide gestohlen hatte, lag gute zwanzig Fuß von den Trümmern entfernt. Das andere Pferd musste sogar noch weiter geschleudert worden sein, wohl irgendwo zwischen all die hohen Farne und Büsche.
Henry dagegen hatte das weggebrochene Vorderteil seines Wagens halb unter sich begraben. Nur sein Oberkörper ragte unter den Trümmern des Kutschbocks und einem zersplitterten Vorderrad hervor. Er lag auf dem Rücken, die Arme wie in einer Geste der Kapitulation von sich gestreckt, und mit dem Gesicht nach oben.
»Alles riskiert und alles verloren, auch sein Leben«, sagte Andrew, betroffen von dem grässlichen Anblick, der sich ihnen bot.
»Geschieht ihm recht!«, sagte Douglas mit grimmiger Genugtuung.
»Ja, er hätte die Peitsche verdient und dann den Galgen, dieser verfluchte Mistkerl!«, fluchte Terence. »Jetzt hat er auch noch unsere Daisy mit in den Tod gerissen!« Er riss sein Gewehr hoch und legte auf Henry an.
»Was soll das?«, fragte Andrew, legte seine Hand auf den Lauf des Gewehrs und schob ihn sanft zur Seite. »Er ist tot, Terence. Und er ist es nicht wert, dass wir auch nur eine Kugel an ihn vergeuden.«
Terence ließ sein Gewehr sinken und die Wut wich aus seinem Gesicht. »Du hast Recht. Das wäre noch zu viel der Ehre für einen Dreckskerl wie ihn!«
»Er hat sich selbst gerichtet, wenn auch unfreiwillig«, sagte Andrew.
»Was meint ihr, sollen wir versuchen, hinunter in die Schlucht zu kommen, um die Trümmer außer Sicht zu räumen und auch Henry und die Pferdekadaver wegzuschaffen?«, fragte Douglas.
»Wozu sollen wir unsere Knochen riskieren und uns die Mü he machen, da unten aufzuräumen ?«, fragte Terence zurück. »Wer es bis hierhin geschafft hat, der stößt auf genug Wagenspuren, um auch das Tal und unsere Siedlung zu finden.«
Andrew nickte. »Das sehe ich auch so. Hier gibt es nichts mehr für uns zu tun, Freunde. Reiten wir zurück.«
Und als sie ihre Pferde losbanden und sich wieder in die Sättel schwangen, sagte Douglas: »Ist vielleicht besser so, dass er hier in die Schlucht gestürzt ist. Denn wer von euch hätte sich dazu bereit erklärt, zur Peitsche zu greifen und ihm dann auch noch die Schlinge um den Hals zu legen? Ich jedenfalls habe nicht das Zeug zum Henker.«
Die Männer sahen sich nur an und nickten. Dann machten sie sich schweigend auf den Rückweg.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Cleo brauchte zwei mühselige Tage, um mit ihrem einachsigen Wagen zum Hawkesbury River zu gelangen. George Hennessey hatte ihr einen unansehnlichen Gaul verkauft, der sich zwar als zäh erwies, aber nicht dazu zu bringen war, zwischendurch einmal ein flottes Tempo
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