Verborgen im Niemandsland
ihrem Treck! Aber damit war zu rechnen gewesen. Und es machte jetzt auch keinen großen Unterschied mehr. Er hatte endgültig die Seite gewechselt und gehörte nun zu den Vogelfreien, so wie die Buschbanditen. Er wusste, was er ihnen bieten musste, um seinen Hals zu retten.
Joshua Parker wandte ihm den Rücken zu und rief Murtamoo etwas auf Aborigine zu. Dann machte er Anstalten, sich von den Hängematten zu entfernen.
»Parker?«
Der Händler blieb stehen, kehrte wieder zurück und fragte: »Noch ein Wunsch, der Herr?«
»Ja.« Henry leckte sich wieder die aufgesprungenen Lippen. »Weiß... weiß sonst noch jemand davon, dass ich hier bin?« Henry konnte diese Frage einfach nicht zurückhalten. »Ich meine, die... anderen?«
Es lag auf der Hand, wer mit den anderen gemeint war. »Im Augenblick kannst du dich ganz ungestört an unserer Gesellschaft erfreuen«, antwortete Joshua Parker süffisant. »Gib dich also unbesorgt deiner Genesung hin.« Und damit stiefelte er davon.
Erschöpft von dem kurzen Gespräch, sank Henry wieder in die Hängematte zurück und ließ es geschehen, dass Murtamoo wieder mit der Breischüssel an seiner Seite erschien und ihm noch mehr von dem Brei einflößte. Zwischendurch verlangte er immer wieder nach Wasser, als könnte er seinen Durst einfach nicht stillen.
Indessen ging Joshua Parker zur Ladentheke hinüber, stopfte sich eine Pfeife und setzte sich dann genüsslich paffend vor das Haus. Für eine gute halbe Stunde würde es dort noch schattig und einigermaßen auszuhalten sein. Aber der breite Schatten, den die Handelsstation bei Tagesanbruch noch warf, trat im Licht der rasch steigenden Morgensonne eiligst den Rückzug in Richtung Hauswand an.
Versonnen blickte Joshua Parker nach Westen, wo sich in der Ferne die hohen und wild zerklüfteten Bergketten der Blue Mountains abzeichneten und wie gewöhnlich in einem bläulichen Farbton schimmerten, als läge stets, vor allem morgens und abends, ein feiner Rauchschleier über den dicht bewaldeten Abhängen. Und dort in der Ferne, wohl einen knappen Tagesritt von seiner Handelsstation entfernt, lag irgendwo in den Vorbergen der mächtigen Naturbarriere das Versteck der Bande von Pat Gillespie und Chris Sullivan. Er nahm an, dass sie mittlerweile erfahren hatten, wen Taipan am gestrigen Abend bei ihm abgeladen hatte.
Taipan hatte sich schnell wieder aus dem Staub gemacht, denn Sean, Francis und Liam hatten schon mehrmals ihre bösartigen Späße mit ihm getrieben. Natürlich hatte er eine Belohnung von ihm, Josh, erwartet und auch bekommen: eine Flasche vom billigsten Fusel und dazu noch einen Beutel Tabak. Und damit hatte er sich umgehend irgendwo in den Busch verzogen, wo er sich in aller Stille betrinken und den Tabak in einem handlangen Stück Holzrohr rauchen konnte.
Er hatte vorhin die Wahrheit gesagt, als er Henry geantwortet hatte, dass sich keiner von den Banditen bei ihm aufhielt. Aber das war nur die halbe Wahrheit gewesen, hatte er ihm doch verschwiegen, dass gestern Francis und Liam mit einem Packpferd aufgetaucht waren, um sich bei ihm mit einem frischen Vorrat an Branntwein für die Bande einzudecken. Sie hatten erst am nächsten Morgen zu ihrem Versteck zurückkehren wollen. Aber als sie gesehen hatten, wen Taipan da zu ihm gebracht hatte, waren sie noch zur selben Stunde aufgebrochen, um die Nacht durchzureiten.
Joshua Parker rechnete damit, dass die fast zwanzigköpfige Bande mit Gillespie und Sullivan an der Spitze noch vor Einbruch der Dunkelheit in voller Stärke bei ihm auftauchen würde. Denn was dieser Fang bedeutete, war jedem sofort klar gewesen - nämlich die Aussicht auf reiche Beute. Dieser Henry hatte nicht die geringste Chance, sein Wissen, wohin die Siedler gezogen waren und wo sie sich niedergelassen hatten, für sich zu behalten. Ja, sie würden ihn sehr schnell zum Sprechen bringen und ihn zwingen, sie zu seinen Gefährten zu führen - sofern sie nicht irgendwo den Tod gefunden hatten, weil ihnen das Wasser ausgegangen war. Aber wenn Henry der einzige Überlebende war, konnte er bereits jetzt mit seinem Leben abschließen, dafür würde Sean schon sorgen!
Dass die Siedler irgendwo im Busch verreckt waren, wollte er allerdings nicht hoffen, ginge ihm dann doch das wohl beste Geschäft seines Lebens durch die Lappen. Denn als Hehler der Bande machte er bei allem, was sie ihm brachten, mehr Profit, als für sie selber heraussprang.
Nein, er wünschte den Siedlern, die sich da heimlich von der
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