Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
Vom Netzwerk:
hat ihn riesig gefreut.«
    »Er muss sehr stolz auf dich sein.«
    »Muss er das?«, fragte Eberhard und nahm den Hut ab. »Ich sag dir was, Ben. Es wird oft angenommen, dass meine Eltern tot sind. Grotesk, oder? Ich finde es unverschämt, aber mir ist klar, dass ich die Leute offenbar in dieser Annahme bestärke. Ich weiß zum Beispiel, dass ich dazu neige, von meinen Eltern in der Vergangenheit zu sprechen. Das tue ich wahrscheinlich deshalb, weil wir einander nicht mehr nahestehen. Vor allem mein Vater und ich sind uns in vieler Hinsicht ähnlich, aber wir haben uns auseinanderentwickelt. Unsere Überzeugungen sind einander diametral entgegengesetzt. Die Pläne, die er für mich hatte, sind nicht mehr die, die ich für mich selbst habe.«
    »Das tut mir leid«, sagte er, verlegen angesichts der Abgründe, die sich da auftaten, und wünschte sich wieder, wie so oft bei Eberhard, seichtes Geplätscher, Leichtigkeit. »Und das mit der Wanderung tut mir auch leid.«
    »Nicht doch, bitte. Ich bin bloß froh, dass offenbar nichts gebrochen ist.«
    »Ich hätte die alte Festung gern gesehen.«
    »Eigentlich war da nicht viel zu sehen. Nur der Blick ist sehr eindrucksvoll.«
    Die Sonne war untergegangen. Draußen im Hafen hatte ein Tanker festgemacht, seine Lichter wie Lotschnüre auf dem Wasser. Ein paar kleine Segelboote hielten geräuschlos auf den Jachthafen zu. Eberhard sah zu dem dämmerigen Umriss von Sphakteria hin.
    »Ich hab euer Gespräch mit angehört«, sagte er, was ihn selbst mindestens so überraschte wie Eberhard, der aufreizend träge den Kopf zu ihm hinwandte, den Blick weiter in die Ferne gerichtet.
    »Unser Gespräch?«
    »Gestern Abend, auf dem Balkon.«
    »Aha. Ich kann mich nicht erinnern, dass da irgendwas Skandalöses zur Sprache gekommen ist…?«
    »Wieso könnt ihr nicht wieder nach Gythion?«
    »Da hat es Ärger gegeben. Jason hat sich mit jemandem angelegt. Ich war nicht dabei. Soviel ich weiß, ist er aus einem Laden rausgeworfen worden.«
    »Wann war das?«
    »Vor ein paar Monaten, denke ich mal. Lange bevor du zu uns gestoßen bist. Wir hatten uns da unten ein Boot gemietet. Jede Menge Wind und zu viel Regen. Als Junge habe ich das auch schon gern gemacht.«
    Der Wind fing sich in Eberhards Haar. Er wischte sich die letzten dünnen Strähnen aus den Augen und lächelte erneut.
    »Du klingst irgendwie unglücklich, Ben.«
    »Bin ich aber nicht. Ganz und gar nicht.«
    »Gut. Hätte mich eigentlich auch gewundert. Aber wenn doch, dann sag’s mir.«
    »Manchmal schließt ihr mich aus.«
    »Wovon?«
    »Wenn ich das wüsste, würde ich mich ja nicht ausgeschlossen fühlen, oder?«
    »Jetzt werd nicht sauer. Wir geben uns Mühe.«
    »Aber ihr verheimlicht mir was. Wie bei der Sache mit den Schakalen.«
    »Was hätten wir dir da verheimlicht?«
    »Du hast mich angelogen. Hast gesagt, es wäre nur eine Jagd …«
    »Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das je gesagt habe…«
    »Wir haben den Schakal getötet, um den Leuten aus dem Ort zuvorzukommen. Ihr wolltet niemanden oben bei den Höhlen haben. Das war der einzige Grund. Deshalb musste der Schakal sterben.«
    Keine Antwort. Eberhard stützte das Kinn auf die Hand, einen Fingerknöchel an die Lippen gepresst, wie um eine Erwiderung zurückzuhalten. Ben beugte sich näher zu ihm hin.
    »Deswegen haben wir ihn getötet, stimmt’s?«
    »Du brauchst ihn nicht zu bemitleiden. Er wäre so oder so getötet worden.«
    »Aber da oben ist irgendwas.«
    »Da oben ist eine ganze Menge, würde ich sagen. Bei so vielen Höhlen …«
    »Spielst du Spielchen mit mir?«
    Ein Engländer an einem Nachbartisch brach plötzlich in heiseres Gelächter aus; Eberhard fuhr mit scharfem Blick zu der massigen Gestalt und dem Lärm herum, dann erwiderte er: »Ich hab’s dir schon einmal gesagt. Ich spiele keine Spielchen.«
    »Chrystos denkt das aber. Dass das Ganze nur ein Spiel ist. Und Missy auch.«
    Eberhard lehnte sich zurück und legte die Hände ausgebreitet auf den Tisch wie Trumpfkarten. »Sollen sie doch.«
    »Aber es stimmt, oder? Ihr lasst sie denken, dass es nur ein Spiel ist. Ihr spielt Spartaner spielen, weil sich dann keiner weiter Gedanken macht.«
    »In gewisser Weise. Ja, in gewisser Weise. Vertraust du mir, Ben?«
    »Das fragt ihr mich ständig alle. Ich würde ja gern. Ich wünsche es mir. Aber nur, wenn ihr mir auch vertraut.«
    »Ganz recht. Das ist der springende Punkt. Vertrauen wir dir? Natsuko ja. Jason auch. Eleschen schließt es nicht aus.

Weitere Kostenlose Bücher