Verborgen
Kumpel. Den Schaufelaffenorden.«
»Halt die Klappe«, sagte er leise, aber Jason hörte nicht auf ihn und salutierte.
»Griechenland schenken wir unsere blitzenden Klingen. Hast du keinen Hunger? Der Käse ist ganz passabel. Es ist auch Wein da, wenn du dich dem gewachsen fühlst.«
Er schaute zu den anderen auf. Eberhard schlief anscheinend, die Ärmel hochgekrempelt, die Kopfhaut von der Sonne gerötet. Natsuko riss Stücke von einem Brotlaib ab, einem wie die, die er dem Mann in der Grube gebracht hatte. Ihr Gesicht war mit Dreck verschmiert. Eleschen schüttete müde Wein in drei verschiedene Gläser: Sie hielt eines vor sich hin, und Eberhard machte ein Auge auf und nahm es in schlangenhafter Zeitlupe entgegen.
Von ihrem Rastplatz aus waren die Gruben nicht zu sehen: Es schien, als wäre die Grabung weit weg. Und wie hätten sie selbst aus solcher Entfernung ausgesehen? Wie Touristen auf einem idyllischen Picknickplatz. Wie Londoner Büroangestellte, die auf dem Betriebsausflug zu tief ins Glas schauen. Oder auch wie eine kleine Festgesellschaft, ein gelassener Ausblick auf die Feierlichkeiten, die schon bald in der ganzen Gegend stattfinden würden – die Woche würde kurz sein, arbeitsfrei von Freitag bis Montag. Ein Beobachter hätte sie vielleicht beneidet, hätte sie für schön gehalten, für glücklich oder begehrenswert, hätte sich vielleicht gewünscht, in ihrer Mitte sitzen zu können. Allerdings nur von Weitem.
Max las die Zeitungen, den Kopf in den Schatten vorgebeugt. Von seinem Gesicht sah Ben nur die vorspringenden Brauen und den grauen Perlmuttglanz der Zähne. Sein Grinsen beim Umblättern der Seiten war eingefroren, starr und bedrohlich wie eine Wasserspeierfratze.
Natsuko hatte ihm das mit den Zeitungen erklärt. Auf der Jacht in Lavrio hatten sie Anweisungen für die Freilassung von drei namentlich genannten Männern aus einem Gefängnis außerhalb von Athen hinterlassen. Außerdem sollten zwei Anzeigen geschaltet werden, die eine zur Bestätigung, dass ihre Forderungen akzeptiert würden, die andere, sobald die Häftlinge freigelassen wären. Beide sollten als private Kleinanzeigen eine Woche lang jeden Tag in vier überregionalen Zeitungen erscheinen. Die erste Anzeige erfolgte prompt, einen Tag nachdem sie Kiron Makronides entführt hatten. Sobald die zweite erschien und Max Nachricht von den Freigelassenen selbst hatte, sollte Kiron auf freien Fuß gesetzt werden. Doch die zweite Anzeige war nie erschienen. Sie warteten jetzt schon zwei Monate. Ostern hatten sie als letzten Termin festgesetzt, und der Samstag davor war der letzte Tag, an dem es noch Zeitungen gab.
Wer sind die? , hatte er gefragt. Die drei Männer?
Irgendwelche Männer , hatte sie gesagt, gute Männer , und ihn geküsst, so dass er nicht weitergefragt hatte. Dann war sie über ihn gekrochen, und ihr Haar war ihm übers Gesicht gefallen.
Eberhard brachte ihm etwas zu essen. Er verzehrte es schweigend. Er wunderte sich, dass er die anderen nicht etwa verabscheute, obwohl das jetzt manchmal doch vorkam, sondern daran dachte, wie schwer es für sie gewesen sein musste, zwei Monate lang scheinbar ganz normal ihrer Arbeit nachzugehen. Jeden Tag bei der Ausgrabung zu sein, ohne zu wissen, was die Nacht bringen würde. Die Abende des Wartens, der Planung und der Geduld, und alle drei Tage der lange, dunkle Aufstieg zur Höhle.
Eleschen weckte ihn. Irgendwie war er mit dem Kopf auf ihrem Schoß eingeschlafen. Sie sah wunderschön aus, wie sie so auf ihn herablächelte.
»Ben?«
»Wo bin ich?«
»Na hier, Dummchen. Du bist eingenickt. Du hast im Schlaf gesprochen, und du hast ausgesehen, als ginge es dir ganz schlecht… Fühlst du dich jetzt besser?«
Er setzte sich auf. Sein Mund schmeckte nach billigem Wein. Bitterer Bodensatz. »Wie spät ist es?«
»Spät. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Das interessiert jetzt keinen mehr. Schlaf noch ein bisschen …«
Er erhob sich steif, Eleschen stand verlegen neben ihm und klopfte sich den Staub von den Kleidern. Sie gingen in betretenem Schweigen zum Schweinestall zurück, als sie Jasons Schrei hörten.
Ben rannte die letzten Meter bis zur Grube. Die anderen waren schon dort, so dicht gedrängt, dass er im ersten Moment nicht sehen konnte, was los war. Als er wieder aufschaute, sah er Chrystos und noch jemanden als Silhouetten oben bei der Kapelle, und der Gedanke, die beiden hätten womöglich eher als er mitbekommen, was seine Freunde gefunden hatten,
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