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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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und halb brachte es ihn auf, dass in jede ein Zeichen eingeritzt war, in manche ein Kreuz, in andere eine Null. Neben der Schale stand der grün glasierte Krug.
    »Wofür sind die?«
    »Ein Spiel.«
    Er hob den Krug hoch. Auf dem Boden klirrte etwas. Er schaute zu Eleschen und sah, dass ihr Blick auf ihm ruhte.
    »Es war eine Abstimmung. Worüber habt ihr abgestimmt?«
    »Ich sag doch, es war nur ein Spiel.«
    »Hallo, Soldat! Und wo bleibt das Frühstück?«
    Er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um den Arm abzuwehren, der sich um seine Schultern legen wollte. Jason war aus der Küche gekommen, eine Zigarette im Mund, die Sonnenbrille ins Haar hochgeschoben. Er hob beide Hände. In der einen hielt er ein Whiskyglas.
    »Leck mich, es ist der Stachlige Ben! Wie erfreulich! So hast du mir schon immer besser gefallen. Du solltest mehr trinken. Ein Kater steht dir. Probier das hier, komm, ich weiß nicht, was es ist, aber es wirkt. Sonst ist nichts mehr im Haus. Du kannst etwas da rein haben, wenn du willst.«
    Er überließ Jason den Krug. Er schüttelte ihn, murmelte etwas Unverständliches, hielt ihn dann verkehrt herum über die Schale. Tonscherben schepperten über die Schreibtischplatte, fielen herunter und rissen ein Weinglas mit.
    Er kniete sich hin und klaubte die am nächsten liegenden Stücke zusammen. »Tollpatsch«, sagte Eleschen, aber Jason lachte.
    »Was treibst du denn da, du Trottel? Lass die doch liegen, ist doch eh egal jetzt.«
    Er stand auf und ließ die Scherben in die Schale fallen. Außer Glasscherben waren auch drei aus Ton dabei. Jede war mit einem Kreuz markiert. Seine Hände zitterten. Jason schüttete etwas aus seinem Whiskyglas in den Krug und hielt ihn ihm hin. Er grinste, als Ben ihn nahm.
    »Na also! Schon besser. Worauf wollen wir trinken?«
    Ben zeigte mit dem Krug auf die Schüssel. »Was ist das?«
    Jason schaute fragend zu Eleschen, dann wieder zu ihm.
    »Habt ihr abgestimmt, wohin ihr jetzt geht?«
    »Nicht nötig. Max und Eb bestimmen, wo wir hingehen. Eher athenisch – Scherbengericht. Demokratie alter Schule. Wir wollten es erst auf die spartanische Art machen. Hat aber nur dazu geführt, dass wir uns angeschrien haben.«
    »Was war es dann?«, fragte er erneut, aber Jason schüttelte den Kopf. Mit den Augen lächelte er immer noch, als er mit seinem Glas anstieß. »Ist nicht mehr wichtig. Trinken wir auf etwas anderes. Auf Mrs. Mercer. Wie wär das? Auf ihr Wohl. Wenn man es so nennen kann.«
    »Was?«
    »Du weißt schon. Eb hat uns alles erzählt, als die Stanton gesagt hat, dass du kommst.«
    »Was redest du da?«
    Jason grinste anzüglich. »Komm schon, bei uns brauchst du dich nicht zu zieren. Wir sind deine Freunde, Ben, wir wissen, was für einer du bist. Schon vergessen? Wir haben dich auf der Jagd …«
    »Meiner Frau geht’s gut.«
    »Was sie nicht unbedingt dir zu verdanken hat.«
    Es war still im Zimmer geworden. Er hörte Eleschen atmen. Aus dem Radio in der Küche kamen nur noch atmosphärische Störungen. Auf dem Platz Gelächter.
    »Sie hat’s natürlich ihrem Kerl gesagt, und der hat’s Eb erzählt. Wie heißt er noch? Professor Soundso. Du kennst ihn ja.«
    »Ich hab ihr nie was getan.«
    »Sehr griechisch, hab ich mir gedacht. Vergewaltigung im klassischen Sinn. Das soll keine Kritik sein. Was du in deinem Ehebett machst, ist allein deine Sache. Aber mir war das so oder so egal. Für mich hast du vielversprechend geklungen. Fies. Hungrig. Stachelig. Genau das haben wir gebraucht, den fiesen, hungrigen, stacheligen Ben …«
    Er hob den Krug. Er krachte auf Jasons Kopf herab und zerbrach mit einem hohlen Geräusch. Der Henkel war noch ganz, ein bauchig gekrümmtes Stück der Wölbung hing noch daran. Er hielt ihn vor sich hin, wie einen Schild oder eine Waffe, obwohl Jason schon auf den Knien lag, mit den Händen vor dem Gesicht, und fröhlich lachte.
    »Das war jetzt aber nicht nett, oder? Das war überhaupt nicht nett. Das hat wehgetan!«
    Er kniete sich vor ihn. Alles in Ordnung?, setzte er an, doch im selben Moment erblickte er Eleschen.
    Sie saß immer noch in dem Sessel. Beobachtete die beiden geduldig, als wären sie Kinder, die man im Auge behalten muss: tolerant, amüsiert wie die alten Männer tags zuvor, die Kartoffelmänner, die den Jungen mit den Krachern zugesehen hatten.
    »Das hat richtig wehgetan«, sagte Jason ganz leise, und im nächsten Moment sprang er Ben an und warf ihn nach hinten um. Er war über ihm und redete immer noch,

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