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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Jason zum Nordhügel; Natsuko und Eleschen begleiteten sie oder saßen manchmal dicht beieinander unter den gestreiften Markisen; Elias und Themeus hockten nebeneinander beim Schrein, mit leiser Radiomusik und hausgemachtem Gebäck auf Zeitungen auf den Knien. Nur Missy schien keinen festen Platz zu haben, hockte sich hin, um mit Ben und den anderen bei der Herdgrube zu essen, zwängte sich neben Elias und Themeus oder zog sich einen Klappstuhl neben die Mädchen und mischte sich mit weithin hallender Stimme ein.
    Er beobachtete Eberhard. Seit seiner Ankunft hatte Sauer kein Wort mit ihm gesprochen. Er wunderte sich und überlegte, wie das ins Bild passte. Er fragte sich, wie es sein konnte, dass er in Oxford mit Eberhard zusammen gewesen war, oft viele Stunden im selben Raum, und trotzdem so wenig von ihm wusste.
    Er erinnerte sich nur an zwei Dinge über Sauer, jedes davon denkwürdig, weil kurios. Das eine Mal, in seinem ersten Studienjahr, war er zu spät zu einer Vorlesung im Institut eingetroffen und auf der falschen Etage gelandet. Er hatte die Treppe genommen und hatte unter sich Leute reden gehört. Das Treppenhaus hatte die Worte verzerrt, und er hatte Professor Foyt und Professor Lorne von oben gesehen, bevor er ihre Stimmen erkannte. Sauer? , hatte Lorne gefragt. Stimmt das alles, was man über ihn sagt?
    Worauf Foyt gehustet und ein trockenes Lachen von sich gegeben hatte. Ja, leider, im Guten wie im Schlechten. Trotzdem kann ihm keiner das Wasser reichen.
    Ein andermal war er auf Emines Fahrrad nach Hause geradelt und hatte jemanden im Dunkeln singen gehört, wo der Oxford Canal zwischen Neubaugebieten verlief; die Stimme hatte sehr betrunken geklungen, aber faszinierend und traurig, und das Lied war irgendwie alt, etwas Deutsches. Als er die Gestalt einholte, hatte er gesehen, dass es Eberhard war; die Krawatte lose um den Hals, den Kragen aufgeknöpft, sang er im Gehen. Aus Angst, erkannt zu werden, war er nicht langsamer geworden, doch als er an ihm vorbeifuhr, hatte er mitbekommen, dass der andere weinte.
    Er beobachtete ihn. Eberhard hielt Abstand zu ihm und zu allen anderen. Mit der Zeit bekam er dann manches mit, ein Wort hier, einen Blick da, und bemerkte, dass die anderen versuchten, mit Eberhard zu sprechen, aber immer kurz abgefertigt wurden, und da wurde ihm klar, dass dieser besondere Abstand etwas Neues war. Dass er schuld daran war.
    Dabei waren sie gar nicht so verschieden, dachte er. Eberhard war nicht wie Emine, bei der immer alles schnell vergeben und vergessen war. Er hegte und pflegte seinen Groll, und darin glichen sich er und Ben.
    Die ganze erste Woche wartete er darauf, dass Sauer etwas zu ihm sagen würde. Jeden Tag machte er sich von Neuem darauf gefasst. Er stellte sich die Worte vor und die Art, wie er sie sagen würde, als Frage oder Feststellung, leise, um die Bosheit zu verbergen, oder laut, damit alle es hörten.
    Du hast also beschlossen, mir zu folgen.
    Tut mir leid, dass du geglaubt hast, du seist eingeladen.
    Warum bist du mir gefolgt?
    Was machst du hier?
    Am Ende der Woche hatte er begriffen, dass es nicht so laufen würde. Eberhard hatte beschlossen, nichts zu sagen. Er würde ihm weiter aus dem Weg gehen, und die anderen würden sich ihren Reim darauf machen. Er würde Ben nicht anerkennen, würde ihm weiterhin nie direkt in die Augen schauen, würde weiterhin durch ihn hindurchsehen, als wäre er der Nebel, der zum Fluss zieht.
    Er wusste natürlich, dass auch die anderen sich nicht mit ihm anfreunden wollten. Auch das war offensichtlich. Er hatte es instinktiv schon am Tag seiner Ankunft gemerkt. Er war keiner von ihnen. Das war für ihn nichts Neues. So war auch oft der Stand der Dinge mit seinen älteren Geschwistern gewesen, und nach seiner Erkrankung in der Kindheit auch an vielen anderen Orten, in der Schule und in den verschiedenen Jobs, die er vor dem Studium gehabt hatte. Und so hatten ihn auch Emines betuchte Freunde angesehen oder besser gesagt nicht angesehen. Er hatte oft am Rand gestanden, nicht voll akzeptiert, nur halb aufgenommen, der Freund-eines-Freundes, der Gast, den man in letzter Minute zum Dinner eingeladen hatte. Das hatte ihm nie gefallen, aber es hatte ihn auch nicht gewundert. So war es nun einmal, da war nichts zu machen. Er hatte nie über den Esprit oder die Gelassenheit, die Selbstsicherheit oder die Überlegenheit, die richtigen Worte oder das richtige Auftreten verfügt. Er hatte nie genug vorzuweisen gehabt, um einer von Uns zu

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