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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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gefallen. Es sah so aus, als wärst du dafür geschaffen.«
    »Ich fand die Atmosphäre erstickend. Zu viele alte Geister. Wie groß ist dein Hunger, Ben?«
    Latein, das Goldene und das Silberne Zeitalter. Drei Borde Deutsch, zwei Italienisch. Eine Abteilung mit Musiknoten, dann Russisch und eine Phalanx Griechisch, Alt, Koine und Modern, acht Reihen hoch, die sich um eine Ecke fortsetzte und an der anderen Wand fast bis zur Tür reichte, Band für Band. Thukydides in blutrotem Kalbsleder.
    »Ich bin am Verhungern.«
    »Sehr gut! Hunger ist der beste Koch, hat meine Mutter immer gesagt. Wenn ich Glück habe, rettet mich das jetzt.«
    Ben schlenderte den Flur entlang, vorbei an allerlei Gepäckstücken (gestapelte Versandkisten, ein Arztkoffer, drei uralte, rissige Lederkoffer) in die fensterlose Küche. Irgendwann war ein Ventilator eingebaut worden, in ein unverputztes Mauerloch mitten in der Außenwand, aber der Propeller war längst mit Schmutz zugesetzt. Die Einbauküche war in neuerer Zeit hinzugekommen, ihr makelloses Weiß in dem alten Zimmer ebenso deplatziert wie Eberhard am Herd. Er bereitete so etwas wie ein Omelett zu, schlug die Eier einhändig in die Pfanne, die Stirn vor Konzentration gerunzelt, die Schürze, die er sich über das Hemd gebunden hatte, mit Rosen und Rotkehlchen gemustert.
    »Du siehst unmöglich aus. Genau wie das da.«
    »Sehr freundlich. Dafür kriegst du das kleinste Ei.«
    »Wie hat es dich hierher verschlagen?«
    »Nach Sparta? Ach, wir waren immer wieder mal hier. Oft im Urlaub. Die Engländer zieht es ja immer auf Inseln. Die Deutschen sind da nicht so zwanghaft. Ich verrate dir ein Geheimnis: Wir kriegen den besseren Teil.«
    »Ich meinte die Ausgrabung.«
    »Das war Max. Er hat uns empfohlen. Er hat Dr. Stanton unsere Namen genannt, und so … sind wir jetzt alle hier.«
    »Du hast die anderen schon vorher gekannt?«
    »In gewisser Weise. Alle, in gewisser Weise«, sagte Eberhard und zeigte mit einer Kopfbewegung auf das frische Brot. »Meinst du, wir können das dazu essen?«
    Er suchte ein Messer, schnitt den Laib auf, füllte einen grün glasierten Krug mit Wasser. Die Küche roch streng nach Eiern und heißem Öl.
    »In gewisser Weise?«
    »Wir haben korrespondiert. Übers Internet, meine ich. Und dann haben wir uns getroffen, zu fünft, an einem Ort, der unseren gegenseitigen Interessen entsprochen hat. Du kennst das bestimmt, wie so was abläuft.«
    »Hattest du sie vorher schon mal persönlich kennengelernt?«
    »Max, einmal, vor Jahren. Die anderen nie, bis jetzt.«
    »Warum klaut Eleschen?«
    Eberhart schaute zu ihm auf, immer noch stirnrunzelnd, mit einem halben Auge auf die Eier. »Wieso, was denn?«
    »Sylvia. Und auch Kleider, glaub ich.«
    Eberhard wischte sich mit dem Unterarm die Brille ab, nahm die Pfanne vom Herd, ließ das Omelett auf einen Teller gleiten, schaltete die Platte aus und fing an, das Omelett aufzuteilen. Ohne das Zischen und Spritzen des Öls war es plötzlich still in der Küche.
    »Woher weißt du das mit den Kleidern?«
    »Die Läuse«, sagte er, und Sauer lachte.
    »Ach, natürlich, die Läuse. Gut beobachtet. Sie war eines Abends mit Natsuko unterwegs. Das war kurz nachdem du angekommen warst. Sie ist über eine Gartenmauer gesprungen und hat ein paar Sachen von einer Wäscheleine genommen. Natsuko behauptet, sie sei schockiert gewesen und keineswegs ihre Komplizin. Es waren Decken, glaube ich, keine Klamotten. Weil es in ihren Zimmern so kalt war, weißt du. Aber im Übrigen hast du natürlich völlig recht.«
    »Und Jason, hat der auch recht?«
    »Das sie kleptoman ist? Nein! Nicht dass ich wüsste jedenfalls. «
    »Aber warum stiehlt …«, setzte er an, doch Eberhard wandte sich mit entspanntem Gesicht um, in jeder Hand einen Teller.
    »Ich glaube, du weißt, warum. Ich nehme die Teller. Im Kühlschrank ist Wein. Wenn du den und das Wasser nehmen könntest. «
    Sie aßen auf dem Balkon, schweigend, bis die Teller leer gegessen waren. Unten gingen eins nach dem anderen die Lichter an, und die Beleuchtung breitete sich aus den Cafés auf die Straße aus.
    »Ich weiß, was du tust«, sagte Ben, und der Rattanstuhl knarrte bedenklich, als Eberhard sich vorbeugte, um Wein einzuschenken.
    »Ach ja? Und, was tue ich?«
    »Du spielst ein Spiel. Es ist nur ein Spiel. Stimmt’s?«
    Er war erleichtert, als Sauer den Kopf schüttelte.
    »Nein, es ist kein Spiel. Im Gegenteil. Was wir hier machen, ist absolut ernst. Das solltest auch du

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