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Verborgen

Verborgen

Titel: Verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Hill
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Jagd«, sagte Max, und Eleschen stöhnte.
    »Ach, komm schon. Das eine Mal reicht doch, oder nicht?«
    »Was hast du denn auf einmal? Du hast es doch toll gefunden da oben!«
    »Ja, schon, aber jetzt bin ich total zerkratzt. Allerdings würde uns ja wohl gar nichts anderes übrig bleiben, oder? Ich würde jedenfalls ruhiger schlafen, wenn sie alle weg sind.«
    Einen Augenblick Stille, zum ersten Mal seit Stunden. Ben befreite sich von Jason, setzte ihn auf den nächstbesten Stuhl und sah zu, wie er, den weit offenen Mund auf die Hände gebettet, einschlief. Drinnen brabbelte und dröhnte der Fernseher. Ein Hahn krähte am oberen Ende der Stadt.
    »Warum würde uns nichts anderes übrig bleiben?«, fragte er, und Max schaute auf und legte den Kopf schräg, als sei die Frage sinnlos. »Ich will damit nicht sagen, dass ich nicht… Nicht, dass es mir nicht gefallen hätte. Ich meine nur, warum müssen wir sie alle erlegen?«
    Von Max keine Reaktion bis auf einen völlig geistesabwesenden Blick. Er versuchte es noch einmal. »Du hast gesagt, wir müssten sie alle erlegen …«
    »Stimmt, das hab ich gesagt, aber ich habe nicht gemeint, dass wir es tun müssten «, sagte Eleschen. Sie setzte sich auf, zog ihre Sachen herunter, ordnete ihr Haar. »Ach, was soll’s, ich weiß nicht, was ich gemeint habe. Ich bin so müde, dass ich nicht mehr geradeaus denken kann. Wie spät ist es?«
    »Sieben«, sagte Eberhard. »Zeit zu gehen.«
    »Wohin denn?«, fragte Ben, und Natsuko lachte.
    »Zur Arbeit. Schon vergessen? Die Stanton wird dich vermissen. Sie mag dich.«
    »Schön. Ich mag sie auch«, sagte er, und Natsuko beugte sich zu ihm hinüber, lächelte und streckte sich wie eine Katze.
    »Aber nicht so wie mich.«
    »Nein, nicht so wie dich.«
    Eberhard ging hinein, um die Rechnung zu begleichen. Eleschen rüttelte Jason wach. Max kam mit den Schlüsseln des Volvo herüber.
    »Du fährst. Den anderen Wagen holen wir heute Abend.«
    »Ist Eberhard …«
    »Alles in Ordnung. Er ist nur betrunken. Wie wir alle, bis auf dich.«
    »Ich bin auch nicht mehr nüchtern.«
    »Aber du kannst noch fahren«, sagte Max und schaute ihm in die Augen. »Jason hatte recht.«
    Er stand auf und ging zum Auto. Die anderen waren noch dabei, sich aufzurappeln. Die Sonne kletterte zwischen den letzten Häusern und den Olivenhainen am Himmel hoch. Der Hahn krähte erneut. Für ihn hörte es sich an wie Triumphgeschrei. Er warf die Schlüssel in die Luft, und sie sangen in den Sekunden, bevor er sie wieder auffing.
     
Erst später fragte er sich, was aus dem Schakal geworden war. Seine Erinnerungen an das Ende der Nacht waren lückenhaft, alles, was nach dem Schuss gekommen war, durch Erschöpfung und Adrenalin vernebelt. Natsuko erzählte ihm dann, dass Max noch in der Nacht aus der Stadt gefahren war und den Kadaver in den Fluss geworfen hatte. Das missfiel ihm. Es erschien ihm unrecht, achtlos. Er stellte sich vor, wie das Tier in die Tiefe gezogen, das flauschige dunkle Fell angeklatscht wurde. Wie die Schrotmunition es hinunterzog, die Fäulnis es wieder hochsteigen ließ, die Frühjahrsfluten seine Lunge füllten, die Steine ihm Zähne und Knochen brachen. Aber inzwischen war es natürlich gar kein Tier mehr, und etwas Besseres fiel ihm auch nicht ein; und Natsuko lag in seinen Armen, er hatte anderes im Kopf.
     
Donnerstag war er zum Essen bei Eberhard. Seine Wohnung lag am Hauptplatz, neben einem knalligen Mister Donut – einem Laden wie ein verunglücktes Hopper-Gemälde –, auf der obersten Etage des seit Langem eingegangenen Hotels Panhellenica. Die elegante baufällige Fassade – der abblätternde gelbe Putz und die hohen, grau verwitterten hölzernen Fensterläden – erinnerte ihn an die Unterkunft der Mädchen, doch im Innern war das alte Hotel noch vergleichsweise herrschaftlich: Die Räume waren zum Teil noch eingerichtet, in Eiche und Mahagoni und grünem Messing, mit großen Stores gleich Spinnakern und einem eisernen Balkon, auf dem ein Tisch mit dicker Marmorplatte und gebrechliche Rattanstühle standen.
    »Du hast dir noch mehr Bücher schicken lassen.«
    »Die sind letzte Woche gekommen. Das sind jetzt alle. Ich konnte sie sonst nirgends unterbringen.«
    Er ging das Regal durch, während Sauer sich umzog und das Essen, das sie gekauft hatten, in die Küche brachte.
    »Auch nicht am College?«
    »Nicht mehr. Ich gehe wahrscheinlich nicht mehr zurück. Du schon?«
    »Weiß ich noch nicht. Ich dachte, dir hat’s dort

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