Verborgene Liebesglut
ließ. Während sie ihn ansah, strich sie ein imaginäres Staubkorn von ihrem Umhang. Der riesige Mondstein an ihrem Finger funkelte gefährlich im Schein der Fackeln, die ihre beiden Handlanger angezündet hatten. Philippe versuchte, seine Aufmerksamkeit auf den Raum zu richten, in dem er gefangen gehalten wurde.
Wie er bereits vermutet hatte, befand er sich in einem riesigen unterirdischen Verlies. Der Lichtschein der Fackeln reichte nicht bis in die hinteren Ecken. Sein Blick fiel auf einen großen, aus Holz gezimmerten Tisch, der in der Mitte des Gelasses stand. Vermutlich war es kein richtiger Tisch, denn er war zu hoch, um Speisen daran einnehmen zu können. Außerdem waren Eisenringe auf die Oberfläche dieses seltsamen Möbels geschraubt. Was konnte es damit nur für eine Bewandtnis haben? Aufmerksam betrachtete er die Wände, sie waren aus grobem Stein gehauen, direkt neben ihm war eine Vorrichtung angebracht, an der diverse Gerätschaften hingen, Messer, Zangen, eine kleine Axt. Aber auch Peitschen und Geschirr zum Aufzäumen von Pferden baumelten von einem Haken. Ein Grauen, wie er es noch nie zuvor verspürt hatte, erfaßte Philippe.
Erneut wanderten seine Augen zu dem seltsamen Tisch. Nun wußte er, wozu er diente. Lady Fairfax schien sein Entsetzen nicht zu entgehen. Schrill lachte sie auf. „Begreifst du jetzt, mein Kleiner, wo du dich befindest? In diesem Keller wurden in den vergangenen Jahrhunderten die Feinde der mächtigen Kellinghursts gemartert. Hier zum Beispiel." Philippes Augen folgten ihrer ausgestreckten Hand, die auf eine Art Holzschuh deutete. „Dies ist ein Spanischer Stiefel. Weißt du, was man mit einem Spanischen Stiefel anstellen kann? Diese Art der Marter war übrigens eine Spezialität der Folterknechte, die für die Vorfahren unseres geschätzten Freundes Lord Kellinghurst arbeiteten. Man sagt, Philippe II. habe jenes hübsche Exemplar der Familie zum Gastgeschenk gemacht, als er in England weilte, um die jungfräuliche Königin zu heiraten. Möchtest du ihn anprobieren?" Lady Fairfax schien die Vorstellung zu erregen. Ein boshaftes Glitzern lag in ihren Augen. Mit der kleinen, spitzen Zunge befeuchtete sie ihre schmalen Lippen. „Kaum einer, der als Gefangener dies Verlies betrat, hat es lebend wieder verlassen." Das Lachen, welches dieser Bemerkung folgte, klang fröhlich.
Philippe zwang sich, ihr direkt ins Gesicht zu blicken. Dabei versuchte er, so gelassen wie möglich zu scheinen. Er antwortete mit aristokratischer Herablassung.
„Mit Sicherheit möchte ich das nicht, Madame. Im übrigen muß ich gegen die Behandlung, die ich durch diese beiden Burschen erdulden mußte", dabei deutete er auf die zwei Männer, die es sich inzwischen auf einem Lager aus fauligem Stroh gemütlich gemacht hatten, „entschieden protestieren."
„So, so", Lady Fairfax warf ihren Schergen einen zufriedenen Blick zu. „Waren Ned und Peter unfreundlich?"
„Madame, ich weiß nicht, warum ich hier bin. Noch weiß ich, womit ich Ihr Mißfallen erregt habe. Aber ich versichere Ihnen, wenn Sie mich nicht augenblicklich gehen lassen, werden Sie den Zorn Seiner Lordschaft auf sich ziehen. Er wird es nicht dulden, daß mit einem Gast seines Hauses so schimpflich umgegangen wird." Philippe bebte vor Wut und rüttelte an seinen Fesseln.
Offensichtlich bereitete es Lady Fairfax großes Vergnügen, sich an seiner mißlichen Lage zu weiden. Dies empörte Philippe ungemein und verlieh seinem Tonfall eine Schärfe, die vielleicht unklug war. Die Häme schwand aus dem Gesicht der Lady. In ihren Zügen spiegelte sich grausige Verschlagenheit. Mit eiskalter Ruhe begann sie zu sprechen. „Der Zorn Seiner Lordschaft interessiert mich einen Dreck!" Sie beugte sich vor und senkte ihre Stimme zu einem drohenden Flüstern. „Denn schon bald wird der Lord alles tun, was ich von ihm verlange, und du, mein Freund, wirst mir dabei helfen."
Mit soviel Würde, wie er in seinem mißlichen Zustand aufbringen konnte, antwortete Philippe. „Ich verstehe nicht, Madame. Sie reden wirr."
„Nein? Verstehst du das nicht. Dann will ich dir sagen, was ich damit meine. Du bist mein Garant dafür, daß die Hochzeit meiner Tochter mit Wilcox Kellinghurst stattfindet. Und zwar so schnell wie möglich."
Philippe war verdutzt. „Ich wüßte nicht, warum meine Gefangennahme die Entscheidung Seiner Lordschaft beeinflussen sollte."
„Ach, tu doch nicht so, du ekelhafter Geck!" Lady Fairfax schleuderte ihm ihre ganze
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