Verborgene Muster
sich ein wenig unbehaglich zu
fühlen. Er mochte keine biestigen Frauen, und hier hatte er es offenbar mit einer zu tun.
»Ja, das ist er in der Tat. Aber er ist so ein bisschen masochistisch veranlagt. Wir gehen gerade
die einschlägigen Akten durch. Ich würde alles tun, um dieses besondere Vergnügen noch etwas
hinauszuzögern.« Von dieser vermeintlichen Beleidigung getroffen, blickte sie endlich auf.
»Dann diene ich Ihnen also als Verzögerungstaktik?«
Rebus zuckte lächelnd die Achseln.
»Als was denn sonst?«, sagte er.
Nun lächelte auch sie. Sie faltete die Zeitung zu, knickte sie zweimal und legte sie vor sich auf
die Tischplatte aus Resopal. Dann tippte sie auf die Überschrift.
»Offenbar sind wir in den Schlagzeilen«, sagte sie.
Rebus drehte die Zeitung in seine Richtung.
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»Ein echt grausiger Fall«, erklärte er. »Einfach furchtbar. Und die Zeitungen machen die Sache
auch nicht besser.«
»Nun ja, in ein paar Stunden werden wir die Autopsieergebnisse haben, und das bringt uns
vielleicht ein bisschen weiter.«
»Ich hoffe es. Hauptsache ich bin diese verdammten Akten bald los.«
»Ich dachte immer, die männlichen Kollegen«, sie betonte das Adjektiv, »würde es antörnen, dieses
Zeug zu lesen.« Rebus breitete die Hände aus, eine Geste, die er offenbar von Michael übernommen
hatte.
»Da haben Sie genau ins Schwarze getroffen. Wie lange sind Sie schon bei der Truppe?«
Rebus schätzte sie auf dreißig, plus minus zwei Jahre. Sie hatte dichte, kurze braune Haare und
eine lange gerade Nase. Sie trug keinen Ring am Finger, aber heutzutage hatte das ja nichts zu
bedeuten.
»Lange genug«, sagte sie.
»Hab ich mir gedacht, dass Sie das sagen würden.«
Sie lächelte immer noch - also doch nicht biestig.
»Dann sind Sie klüger, als ich gedacht habe«, sagte sie.
»Sie würden sich wundern.«
Er wurde das Spielchen allmählich leid, da es offensichtlich zu nichts führte. Es bewegte sich
alles im Mittelfeld, eher ein Freundschafts- als ein Meisterschaftsspiel. Er sah demonstrativ auf
seine Uhr.
»Ich sollte wohl allmählich zurück«, sagte er.
Sie nahm ihre Zeitung wieder auf.
»Haben Sie am Wochenende schon was vor?«, fragte sie.
Rebus setzte sich wieder hin.
----
VI
Um vier Uhr verließ er die Polizeiwache. Die Vögel gaben sich Mühe, die Menschen davon zu
überzeugen, dass der Morgen bereits graute, aber niemand schien ihnen auf den Leim zu gehen. Es
war immer noch dunkel, und die Luft war kühl.
Er beschloss, sein Auto stehen zu lassen und zu Fuß nach Hause zu gehen, eine Strecke von etwa
zwei Meilen. Das brauchte er jetzt; er wollte die kühle, feuchte Luft spüren, die einen
morgendlichen Regenschauer verhieß. Er atmete tief durch, versuchte sich zu entspannen, zu
vergessen, doch sein Kopf war voll von diesen Akten, und Erinnerungsfetzen aus dem Gelesenen,
Horrormeldungen, nicht länger als ein paar Zeilen, verfolgten ihn auf dem ganzen Weg.
Sich an einem acht Monate alten Mädchen zu vergehen. Die Babysitterin hatte die Tat gelassen
zugegeben und gesagt, sie hätte es »wegen des Kicks« getan.
Eine Großmutter vor den Augen ihrer beiden Enkel zu vergewaltigen und den Kindern vor dem Gehen
noch Süßigkeiten aus einem Glas zu geben. Eine vorsätzliche Tat, von einem fünfzigjährigen
Junggesellen begangen.
Einer Zwölfjährigen mit Zigaretten den Namen einer Straßengang in die Brust zu brennen und sie
dann in einer brennenden Hütte zurückzulassen. Die Täter wurden nie gefasst.
Und dann der vorliegende Fall: zwei Mädchen zu entführen und sie zu erwürgen, ohne sie vorher
sexuell missbraucht zu haben. Das, so hatte Anderson erst vor einer halben Stunde erklärt, war
eine Perversion der Perversion, und auf seltsame Weise hatte Rebus gewusst, was er meinte. Es
ließ die Todesfalle noch willkürlicher erscheinen, noch sinnloser - und noch
schockierender.
Jedenfalls hatten sie es nicht mit einem Sexualstraftäter zu tun, zumindest keinem von der
üblichen Sorte. Was, wie Rebus zugeben musste, ihre Aufgabe nur noch schwerer machte, weil sie
nun mit so etwas wie einem »Serienmörder« konfrontiert waren, der willkürlich zuschlug und
keinerlei Hinweise hinterließ, dem es eher darum ging, in das Buch der Rekorde einzugehen, als um
irgendwelche »Kicks«. Die Frage war jetzt, würde er bei zwei aufhören? Eher
unwahrscheinlich.
Strangulation. Eine furchtbare Art zu sterben. Man kämpfte und trat um sich bis zur
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