Verborgene Muster
kleinen
Welt, einer Welt, die sie nach ihren eigenen Regeln geschaffen hatte. Das war gut. Alle Mädchen
waren so. Aber dieses hier war mit jemandem da. Das war ihm sofort klar. Er nahm ein Buch aus dem
Regal und blätterte darin. Ein Kapitel fiel ihm ins Auge und lenkte seine Gedanken von Samantha
ab. Das Kapitel handelte von Knoten beim Fliegenfischen. Es gab viele Arten von Knoten. Sehr
viele.
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XV
Schon wieder eine Einsatzbesprechung. Zurzeit machten diese Besprechungen Rebus allerdings
regelrecht Spaß, denn es bestand immer die Möglichkeit, dass Gill da sein würde und dass sie
hinterher zusammen einen Kaffee trinken konnten. Gestern Abend hatten sie ziemlich spät in einem
Restaurant gegessen, doch Gill war müde gewesen und hatte ihn merkwürdig angesehen. Ihre Augen
hatten ihn noch forschender gemustert als sonst. Zunächst hatte sie keine Brille getragen, sie
dann aber mitten im Essen aufgesetzt.
»Ich will schließlich sehen, was ich esse.«
Doch er wusste, dass sie gut sehen konnte. Die Brille trug sie nur aus psychologischen Gründen.
Sie schützte sie. Vielleicht bildete er sich das aber auch alles nur ein. Vielleicht war sie
wirklich bloß müde gewesen. Aber er vermutete, dass mehr dahinter steckte, er konnte sich bloß
nicht vorstellen, was. Hatte er sie irgendwie beleidigt? Sie vor den Kopf gestoßen, ohne dass es
ihm bewusst war? Er war selber müde gewesen. Jeder war zu seiner eigenen Wohnung gegangen und
hatte wach gelegen, wollte nicht allein sein. Dann träumte er den Traum von dem Kuss und wachte
mit dem üblichen Ergebnis auf. Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Lippen waren feucht. Würde
er nach dem Aufwachen einen weiteren Brief vorfinden? Einen weiteren Mord?
Jetzt fühlte er sich saumäßig, weil er zu wenig geschlafen hatte. Trotzdem genoss er die
Einsatzbesprechung, und das nicht nur wegen Gill. Endlich gab es einen Hauch von einem
Anhaltspunkt, und den wollte Anderson unbedingt erhärtet sehen.
»Ein hellblauer Ford Escort«, sagte Anderson. Hinter ihm saß der Chief Superintendent, was den
Chief Inspector nervös zu machen schien. »Ein hellblauer Ford Escort.« Anderson wischte sich die
Stirn. »Wir haben Aussagen, nach denen solch ein Fahrzeug im Stadtteil Haymarket gesehen wurde an
dem Abend, an dem die Leiche von Opfer Nummer eins gefunden wurde. Außerdem haben zwei Zeugen
einen Mann und ein Mädchen, das Mädchen offenbar schlafend, in einem solchen Auto gesehen, und
zwar an dem Abend, an dem Opfer Nummer drei verschwand.« Anderson hob den Blick von dem Dokument
vor ihm, um, wie es schien, jedem der anwesenden Beamten einzeln in die Augen zu sehen. »Ich
will, dass dieser Sache oberste Priorität eingeräumt wird, verstanden? Ich will sämtliche Details
über die Besitzer jedes blauen Ford Escort im Bereich Lothian wissen, und ich will diese
Informationen früher als möglich. Ich weiß, dass Sie alle eh schon auf Hochtouren an dem Fall
arbeiten, aber mit noch einem kleinen bisschen Anstrengung mehr können wir den Knaben schnappen,
bevor er weitere Morde begeht. Zu diesem Zweck hat Inspector Hartley einen neuen Einsatzplan
erstellt. Wenn Ihr Name drauf steht, lassen Sie alles stehen und liegen, was Sie zurzeit tun, und
machen Sie sich auf die Suche nach dem Auto. Noch Fragen?«
Gill Templer machte sich auf ihrem winzigen Block hastig Notizen. Vielleicht bastelte sie eine
Geschichte für die Presse zusammen. Würden sie das mit dem Auto bekannt geben? Vermutlich nicht,
jedenfalls nicht sofort. Sie würden erst mal abwarten, ob bei der Suche etwas herauskam.
Wenn nicht, würde man die Öffentlichkeit um Hilfe bitten. Rebus gefiel das alles gar nicht, die
Daten der Besitzer heraussuchen, in die Vororte reisen und Massen von Verdächtigen vernehmen, zu
erschnüffeln versuchen, ob sie mögliche oder wahrscheinliche Verdächtige waren, dann vielleicht
eine weitere Vernehmung. Nein, dazu hatte er überhaupt keine Lust. Er hatte Lust, mit Gill
Templer zurück in seine Höhle zu gehen und mit ihr zu schlafen. Von seinem Platz in der Nähe der
Tür konnte er nur ihren Rücken sehen. Er war schon wieder als Letzter in den Raum gekommen, da er
ein bisschen länger als vorgesehen im Pub geblieben war. Es hatte sich um eine bereits bestehende
Verabredung zum Mittagessen (in flüssiger Form) mit Jack Morton gehandelt. Morton erzählte ihm
von dem langsamen, aber stetigen Fortgang der Ermittlungen draußen. Vierhundert Leute waren
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