Verbotene Begierde (German Edition)
herzliche Unterstützung der Smith‘ getan, grübelte sie und freute sich, dass das ältere Paar bei guter Gesundheit war. Sie mussten mittlerweile die 70 überschritten haben und verbrachten noch immer den größten Teil des Jahres in ihrer Finca auf Mallorca, bis auf die drei Sommermonate, in denen es ihrer Vermieterin zu heiß auf der Insel war. Obwohl sich Vanessa längst eine größere Wohnung leisten könnte, sah sie keine Veranlassung, fortzuziehen. Sie grinste vor sich hin, kassierte einen merkwürdigen Blick eines Fußgängers, der vor ihr den Zebrastreifen überquerte und ihr wütend mit dem Stock drohte, augenscheinlich, weil er annahm, dass sie ihn auslachte. Vanessa setzte eine ernste Miene auf. Sie hatte den Mann nicht beleidigen wollen.
Als sie im Hospital ankam und das Ärztezimmer betrat, verstummten die Gespräche der Anwesenden schlagartig. Fünf Augenpaare starrten sie an. Sie grüßte und erkundigte sich nach Neuigkeiten.
Einer ihrer Kollegen deutete mit einem Kopfnicken auf den langen Tisch in der Mitte des Raumes und sie erblickte die aufgeschlagene Zeitung. Vanessa ging näher und ließ sich auf den Stuhl sinken, zog das Papier herüber und bekam eine Gänsehaut, als sie die Überschrift las.
Patient aus städtischer Klinik verschwunden. Straftat zum Vertuschen eines Ärztepfuschs?
Schwindel erfasste sie. Eine Kollegin trat heran und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Keine Panik, Vanessa. Das klärt sich schon auf.«
Die hatte gut reden. Sie überflog den Artikel, der, wenn sie es objektiv betrachtete, keinerlei Unwahrheiten berichtete, aber es geschickt verstand, das Krankenhauspersonal, besonders die diensthabende Ärztin – sie – in einem schlechten Licht darzustellen. Zum Glück hatte man ihren Namen nicht genannt und der letzte Satz enthielt die Aussage, dass die Ermittlungen durch das CID aufgenommen worden waren und man die Leserschaft auf dem Laufenden hielte.
Vanessa blickte zu den Anwesenden auf.
»Ihr denkt doch nicht, dass einer vom Personal, dass … dass …«, sie schluckte. Was immer ihre Kollegen dachten, die gesenkten Köpfe und die Stille sprachen eine eindeutige Sprache, obwohl sie sich nach einer Pause, die einen Moment zu lang dauerte, beeilten, Vanessa zu beruhigen.
Natürlich glaube das niemand, sie alle würden ihr den Rücken stärken, aber selbstverständlich werfe das Ganze einen schlechten Ruf auf die Klinik und nicht zuletzt auf jeden Einzelnen, wenn der Fall nicht baldmöglichst gelöst werde und die Spekulationen noch wildere Ausmaße annehmen würden.
Die Zeit drängte, Vanessas Dienst begann in fünf Minuten und sie war noch nicht umgezogen. Mit drückendem Magen eilte sie durch den Flur, bemerkte die Blicke der Pfleger und Krankenschwestern und fühlte sich hin und her gerissen von ihren Empfindungen. Die einen musterten Vanessa mit offenkundigem Bedauern, die anderen blickten zur Seite und erwiderten nur flüchtig ihren Gruß. Wie gern wäre sie stehen geblieben, um den Kollegen auf den Zahn zu fühlen. Konnten sie ihre Meinungen nicht ehrlich vertreten? Gegen offene Konfrontation konnte sie kämpfen, nicht aber gegen Getuschel hinter ihrem Rücken und dumme Andeutungen.
Die ganze Nacht über kam sie mit niemandem mehr ins Gespräch. Sie konzentrierte sich auf ihre Arbeit. In der Notaufnahme ging es hoch her, die Platzwunde eines Betrunkenen musste genäht werden, eine Frau war angeblich die Treppe hinuntergestürzt und hatte sich einen komplizierten Bruch an der Ferse zugezogen.
Vanessa sah die Angst in ihren aufgerissenen Augen, mit denen sie ihren Begleiter, einen bulligen Kerl mit wulstig hervorstehenden Brauen und einer Säufernase betrachtete und vermutete, dass der Sturz nicht aus Unachtsamkeit passiert war. Vanessa kam nicht dazu, mit der Patientin ein einfühlsames Gespräch zu führen, ein kleiner Junge wartete auf Behandlung, weil er sich einen Legostein in die Nase gesteckt hatte; ein Mann, der spät in der Nacht noch sein Wohnzimmer renoviert hatte, hatte sich mit einem Teppichmesser in den Oberschenkel geschnitten und sie brauchte zwölf Stiche, um die Wunde zu schließen.
Kaum hatte sie sich die Hände gewaschen, rief man sie in einen Behandlungsraum, in dem zwei Jugendliche ihre Prügelei fortsetzen wollten, bei der sich der eine ein Veilchen, der zweite einen abgebrochenen Schneidezahn eingefangen hatte. Vanessa hatte Mühe, die Streithähne zu beschwichtigen, die Verletzungen zu behandeln und die beiden auf
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