Verbotene Begierde (German Edition)
getrennten Wegen von ihren Eltern abholen zu lassen.
Die Unglücksfälle in der Nacht setzten sich fort. Um drei Uhr musste sie Verstärkung anfordern, weil sechs Verletzte eines Verkehrsunfalls mit teils groben Schnittverletzungen, Prellungen und einer mit einem Schleudertrauma eingeliefert worden waren und Vanessa mit der gleichzeitigen Versorgung überfordert war.
Nachdem sie die letzten Nähte gesetzt hatte, und auch ihr Kollege seine Patienten in die Obhut der Stationsschwestern übergeben hatte, kam sie endlich dazu, sich eine Tasse Kaffee zu gönnen.
Doktor Steven Donahue leistete ihr Gesellschaft. Der Internist war von seiner Station abkömmlich gewesen, um sie in der Notaufnahme zu unterstützen.
Sie maß ihn mit einem abschätzenden Blick. Er schien einigermaßen gut trainiert zu sein und unter dem weiten Arztkittel zeichnete sich eine athletische Figur ab. Gut aussehend war er schon, ihr Kollege. Graue Strähnen durchzogen sein braunes Haar an den Schläfen und verliehen ihm ein interessantes Erscheinungsbild. Seine blauen Augen waren groß und dunkel, überschattet von ungewöhnlich langen Wimpern. Er trug ein gestutztes Oberlippenbärtchen, seine gesamte Erscheinung wirkte ansprechend und gepflegt. Stets umwehte ihn der dezente Hauch eines angenehm riechenden Aftershaves, er hatte meist gute Laune und war immer zu einem Plausch oder einem witzigen Schlagabtausch bereit. Donahue war beliebt unter den Kollegen und auch Vanessa mochte ihn auf gewisse Weise, allerdings hatte sie ihn nie als Mann bewusst wahrgenommen. Entsprechend irritiert reagierte sie, als er sie zu einem Essen einlud.
Ihr Nachtdienst endete mit dieser Schicht und ein langes Wochenende lag vor ihr. Freitag bis Sonntag hatte sie dienstfrei und vorgehabt, am Samstag zu Sophie und ihrer Familie hinauszufahren, aber der Freitagabend war frei. Lauren ging auf eine Party, zu der Vanessa keine Lust gehabt hatte, und so entschied sie spontan, dass es angenehmer war, sich von Steven Donahue ausführen zu lassen, als sich in Grübeleien versunken in ihrer Wohnung zu verkriechen.
»Gern, Herr Kollege«, antwortete sie und verabschiedete sich. »Ich werde jetzt meine Runde machen und dann in den verdienten Feierabend gehen.«
»Heute Abend um halb acht?«
Sie nickte.
»Ich hole Sie ab. Sie wohnen doch noch bei der Familie Smith?«
»Ja.« Während Vanessa die Tür hinter sich ins Schloss zog, fragte sie sich, woher Donahue bekannt war, wo sie wohnte …
*
Lauren war den Tränen nahe. Sie schob die beiden Briefe, die sie von Dylan und Alec bekommen hatte, übereinander und faltete sie zusammen. Wie oft sie die Zeilen mittlerweile gelesen hatte, wusste sie nicht mehr, jedenfalls war es so häufig, dass sie jedes Wort auswendig kannte.
Karlo sprang auf ihren Schoß und forderte unmissverständlich ihre Aufmerksamkeit. Er schnurrte und drückte sein Köpfchen gegen ihre Nase.
»Woher weißt du, dass ich traurig bin?«, flüsterte sie heiser und er rieb seine Flanke an ihrem Gesicht. Seine Haare kitzelten. Lauren prustete und schob den Kater sanft von sich, wartete, bis er sich fünfunddreißigmal drehend endlich auf ihren Beinen niedergelassen hatte, und kraulte ihm das weiche Fell.
Trotz der Beruhigung, die durch das Liebkosen des Tieres in ihr wuchs, machte sie sich Sorgen. Sie wusste, dass Alec und Dylan die Einsatzorte in Afrika häufig wechselten und dass sie teilweise wochenlang in den Dörfern unterwegs waren, ohne die Möglichkeit zu haben, anzurufen, bevor sie wieder in ihre Basisstationen zurückkehrten. Von dort aus hatten sie ein Mal für wenige Minuten miteinander telefoniert und Datum und Uhrzeit für das Gespräch, wie im Brief mitgeteilt, waren von den beiden eingehalten worden, sodass Lauren umso enttäuschter war, dass das erneut vereinbarte Telefonat am Vorabend nicht geklappt hatte. Für den heutigen Freitag hatte sie kurzfristig einen Urlaubstag genommen, um ununterbrochen erreichbar zu sein und sich entschlossen, dass die Party, zu der sie abends eingeladen war, ohne sie stattfinden musste. Sie konnte nur beten, dass die Männer sich bis Sonntagabend meldeten, damit sie nicht in Panik verfiel, dass etwas Schlimmes passiert war. Dieses Gefühl begleitete sie seit zwei Tagen und ließ sie nicht los, es kribbelte in ihrem Nacken, durchzog ihr Gehirn und überfiel sie mit Wellen eiskalter Schauder.
Mit zitternden Fingern griff sie zu ihrem Mobiltelefon und wählte die Nummer, die Alec und Dylan ihr für Notfälle
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