Verbotene Früchte im Frühling
Baby. „Ich denke, ich sollte sie nach draußen bringen.“
Eine Menge Leute warfen missbilligende Blicke in ihre Richtung. Es war nicht üblich, dass Kinder – und das galt vor allem für Kleinkinder – sich in der Gesellschaft Erwachsener aufhielten. Nur zum Vorzeigen war so etwas gestattet, wenn das Kind ganz in weiße Rüschen gehüllt und mit Bändchen geschmückt war und kurz zur allgemeinen Bewunderung herumgezeigt und dann schnell wieder ins Kinderzimmer gebracht wurde.
„Unsinn“, sagte Lillian sofort und verzichtete darauf, die Stimme zu senken. „Isabelle weint nicht einmal. Sie ist nur ein wenig unruhig. Ich denke, jeder hier kann ein wenig Geduld aufbringen.“
„Lass es uns noch einmal mit dem Löffel versuchen“, meinte Annabelle. Ihre kultivierte Stimme klang jetzt ein wenig aufgeregt. Aus einer kleinen Schüssel mit Eis zog sie einen Löffel und sagte zu Daisy: „Meine Mutter riet mir, ihr das hier zu geben – sie sagte, bei meinem Bruder Jeremy habe es immer funktioniert.“
Daisy setzte sich neben Evie und sah zu, wie das Baby auf den Löffel biss. Isabeiles rundes kleines Gesicht war gerötet, und ein paar Tränen kullerten aus ihren Augen. Als sie den Mund öffnete und schluchzte, wurden die geröteten Stellen an ihrem Kiefer sichtbar, und Daisy zuckte mitfühlend zusammen.
„Sie braucht ein Schläfchen“, sagte Annabelle. „Aber sie hat zu große Schmerzen, um zu schlafen.“
„Armer Liebling.“
Als Evie versuchte, das Baby zu beruhigen, gab es am anderen Ende des Raumes ein wenig Unruhe. Irgendjemand hatte mit seinem Eintreten für Aufmerksamkeit gesorgt. Als sie sich umdrehte, entdeckte Daisy die hochgewachsene Gestalt von Matthew Swift.
Er war also nicht zum Fluss zurückgekehrt. Er musste gewartet haben, bis Daisy weit genug vorausgegangen war, und dann erst ebenfalls den Weg zum Haus eingeschlagen haben, um sie nicht begleiten zu müssen.
Ähnlich wie ihr Vater hatte Swift offenbar kein Interesse an ihr. Daisy sagte sich, dass ihr das egal sein konnte, aber es tat weh.
Er hatte sich umgezogen und trug jetzt makellos gebügelte Kleidung, eine in verschiedenen Grautönen gemusterte Weste, das schwarze Halstuch war gestärkt und auf eher konservative Weise gebunden. Obwohl es in Europa modern war, die Koteletten lang wachsen zu lassen und das Haar in losen Wellen zu tragen, hatte dieser Stil, wie es schien, noch nicht die USA erreicht. Matthew Swift war vollkommen glatt rasiert, und sein schimmerndes braunes Haar trug er kurz geschnitten, was ihm etwas Jungenhaftes verlieh.
Daisy sah aufmerksam zu, als er vorgestellt wurde. Sie bemerkte die Freude auf den Gesichtern der älteren Herren, als sie mit ihm sprachen, und den Neid bei den jüngeren. Und sie bemerkte das Interesse der Damen.
„Himmel“, fragte Annabelle, „wer ist das denn?“
Lillian erwiderte widerstrebend. „Das ist Mr. Matthew Swift.“
Annabelle und Evie machten große Augen.
„Derselbe Mr. Swift, den du als Haut und Knochen beschrieben hast?“, fragte Evie.
„Der, von dem du sagtest, er sei so aufregend wie ein Teller voll Spinat?“, fügte Annabelle hinzu.
Lillians Miene verfinsterte sich noch mehr. Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit von Swift weg und ließ ein Stück Zucker in ihre Teetasse fallen. „Ich vermute, er ist wohl doch nicht ganz so unscheinbar, wie ich ihn beschrieben habe“, räumte sie ein. „Aber lasst euch nicht von seinem Aussehen täuschen. Sobald ihr seine Persönlichkeit besser kennengelernt habt, werdet ihr auch von seinem Äußeren einen anderen Eindruck haben.“
„M…mir scheint, es gibt hier einige Damen, die zumindest gern einen Teil von ihm kennenlernen würden“, meinte Evie, worauf Annabelle in ihre Teetasse kicherte.
Daisy warf einen raschen Blick über ihre Schulter zurück und sah, dass das stimmte. Einige Ladies kicherten und streckten ihre weißen Hände aus, damit er sie berührte.
„Alles nur, weil er Amerikaner ist und deshalb etwas Außergewöhnliches“, murmelte Lillian. „Wenn einer meiner Brüder hier wäre, würden die Damen Mr. Swift sofort vergessen.“
Auch wenn Daisy gern zugestimmt hätte, so war sie doch sicher, dass ihre Brüder nicht dieselbe Wirkung entfachen würden wie Mr. Swift. Denn auch wenn sie die Erben eines großen Vermögens waren, so hatten die Brüder Bowman doch nichts von Swifts kultivierten sozialen Talenten.
„Er sieht hierher“, flüsterte Annabelle. Die Aufregung ließ ihre Haltung angespannt wirken.
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