Verbotene Früchte im Frühling
Teamgefährtin ist Miss Leighton“, flüsterte sie. „Meiner Meinung nach ist das Handicap genug. Und wollen Sie etwa andeuten, dass Frauen nicht so gut Boule spielen können wie Männer?“
„Nein. Ich deute nicht an. Ich erkläre, dass sie es nicht können.“
Daisy fühlte, wie Zorn in ihr aufstieg. „Krieg“, sagte sie und stapfte zurück zu ihrer Seite des Rasens.
Noch Jahre später nannte man dies das blutrünstigste Boulespiel, das je auf Stony Cross stattgefunden hatte. Das Ziel des Spiels wurde auf dreißig Punkte festgesetzt, dann auf fünfzig, und dann hörte Daisy auf zu zählen.
Sie kämpften um jeden Zentimeter Rasen und um jede Spielregel. Über jeden einzelnen Stoß wurde verhandelt, als hinge das Schicksal ganzer Nationen davon ab. Und vor allem hatten sie es sich zum Ziel gesetzt, die Kugeln des jeweils anderen in den Graben zu stoßen.
„Tote Kugel!“, rief Daisy nach einem perfekten Wurf, der Swifts Kugel vom Rasen schoss.
„Vielleicht sollten Sie sich daran erinnern, Miss Bowman“, sagte Swift, „dass das Ziel des Spiels nicht ist, mich vom Feld zu stoßen. Sie sollen die Kugel so nahe wie möglich an die weiße bringen.“
„Das ist verdammt unwahrscheinlich, wenn Sie sie weiterhin aus dem Weg stoßen!“ Daisy hörte, wie Miss Leighton bei ihrer Ausdrucksweise leise aufschrie. Das sah ihr gar nicht ähnlich – sie fluchte niemals –, es lag nur daran, dass die gegenwärtigen Umstände es ihr unmöglich machten, einen kühlen Kopf zu bewahren.
„Ich höre auf, Ihre Kugeln hinauszuwerfen“, bot Swift an, „wenn Sie umgekehrt ebenfalls damit aufhören.“
Daisy erwog diesen Vorschlag einen Moment lang. Aber unglücklicherweise machte es so viel Spaß, seine Kugeln in den Graben zu stoßen. „Nicht für alles Geld der Welt, Mr. Swift.“
„Na gut.“ Swift nahm eine Kugel auf und warf sie mit so viel Schwung, dass sie mit einem ohrenbetäubenden Knall an Daisys stieß.
Mit offenem Mund sah Daisy, wie die beiden Hälften ihrer zerbrochenen Kugel in den Graben kullerten. „Sie haben sie zerbrochen!“, rief sie aus und kam mit geballten Fäusten auf ihn zu. „Und Sie waren gar nicht an der Reihe! Miss Leighton wäre dran gewesen, Sie unverschämter Schummler!“
„O nein“, meinte Miss Leighton unbehaglich. „Es ist mir ganz recht, wenn Mr. Swift an meiner Stelle spielt. Er ist so viel geschickter als ich …“ Sie brach ab, als sie merkte, dass niemand ihr zuhörte.
„Sie sind dran“, sagte Swift zu Lord Llandrindon, den die Gewalttätigkeit dieses Spiels abzustoßen schien.
„Nein, ist er nicht.“ Daisy nahm Llandrindon die Kugel aus der Hand. „Er ist viel zu sehr Gentleman, um Ihre Kugel zu zerschmettern. Aber ich bin es nicht.“
„Nein“, stimmte Swift zu. „Sie sind in der Tat kein Gentleman.“
Daisy ging zur Linie, holte aus und schleuderte die Kugel mit aller Kraft. Sie schoss über den Rasen und schlug Swifts Kugel an den Rand des Grüns, wo sie hin und her kugelte, ehe sie in den Graben rollte. Daisy warf Swift einen rachsüchtigen Blick zu, und er antwortete mit einem spöttischen Gratulationsnicken.
„Ich wage zu behaupten“, bemerkte Llandrindon, „Ihr Umgang mit der Kugel ist außerordentlich, Miss Bowman.
Ich habe noch nie eine Anfängerin so gut spielen sehen. Wie gelingt Ihnen das bei jedem Wurf?“
„Da, wo der Wille groß ist, können die Schwierigkeiten nicht groß sein“, sagte sie und sah, wie ganz plötzlich ein Lächeln auf Swifts Gesicht erschien, als er das Zitat von Machiavelli erkannte.
Das Spiel ging weiter. Und weiter. Aus dem Nachmittag wurde früher Abend. Daisy bemerkte, dass sie Lord Llandrindon verloren hatten, ebenso wie Miss Leighton und die meisten Zuschauer. Offensichtlich wäre auch Lord Westcliff gern ins Haus gegangen, aber Daisy und Swift riefen ihn immer wieder als Schiedsrichter an, denn sein Urteil war das einzige, dem sie beide vertrauten.
Eine Stunde verging, dann noch eine weitere. Das Spiel hielt die beiden Spieler viel zu sehr gefangen, als dass sie Hunger verspüren konnten. Irgendwann – Daisy war sich über den Zeitpunkt nicht ganz im Klaren – begannen sie, die Fähigkeiten des jeweils anderen widerstrebend anzuerkennen. Als Swift ihr zu einem besonders meisterlichen Wurf ein Kompliment machte oder als sie feststellte, dass ihr seine stille Berechnung gefiel, wie er dabei die Augen zusammenkniff und den Kopf ein wenig auf die Seite legte, war sie wie verzaubert. Es hatte bisher
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