Verbotene Gefuehle
„Das ist ja eklig!“
Während sich meine Brüder vor Lachen gar nicht mehr einkriegen können, lasse ich die nächste Frage los.
„Kay hat mir gesagt, er weiß seit drei Jahren, dass es mich gibt.“
Dieses Mal ist es schon leichter, seinen Namen zu sagen.
„Hieran sind wir nicht ganz unschuldig“, gibt Renee zu.
„Wie das?“
„Nun, die Organisation weiß selbstverständlich schon immer davon, dass es dich gibt. Aber uns Kindern hat man es nicht gesagt.“
„Und wie …?“
„Wir haben beide gespürt, dass wir, obwohl wir Zwillinge sind, nicht komplett waren.“
Renees sanfte Worte und die liebevolle Geste, mit der er mir über die Wange streichelt, lassen meine Tränen ungehindert strömen.
Oh Mann … nicht schon wieder, Kim.
„Warum habe ich von alldem nichts gemerkt?“, frage ich und fühle mich ziemlich unzulänglich.
„Kim“, sagt Vic mit fester Stimme, „ich kann dir nicht sagen, ob es stimmt. Aber Renee und ich, und eigentlich auch Phil, unterstützen die Theorie, dass dein Unterbewusstsein dir das alles verheimlicht hat.“
Ich verstehe nur Bahnhof und Abfahrt. „Stell dir doch nur mal vor, was du hättest erleiden müssen, wenn du von alldem hier - von uns - gewusst hättest und nicht die kleinste Möglichkeit für dich bestanden hätte, aus deinem Gefängnis zu entkommen!“
Automatisch fährt meine Hand an meine Kehle.
Heilige Maria, Mutter Gottes auf Schlittschuhen!
Nein, ich will es mir wirklich lieber nicht vorstellen.
„Ihr habt Recht“, flüstere ich.
Ich habe schließlich bereits genug gelitten. Die letzten Wochen zähle ich gar nicht erst hinzu.
Dann räuspere ich mich, um meine Kehle frei zu machen.
„Wisst ihr, was mit diesem verrückten Professor geschehen ist?“, frage ich.
„Trägt eine schicke weiße Jacke“, antwortet Vic grinsend, „du weißt schon.“
Er überkreuzt seine Arme vor der Brust, Hände nach unten, und umfasst seine Taille.
Ich muss lachen. Ja, ich verstehe. Er ist in der Klapsmühle und trägt eine Zwangsjacke.
„Und Mrs. McMillan?“
„Sitzt in einem Käfig und singt wie ein Vöglein“, gibt Renee mir kichernd die gewünschte Auskunft.
Seufzend schüttele ich den Kopf.
„Was wird mit … ähm … meinem … also …“
„Pattson?“
„Ja, also, was wird mit ihm passieren, wenn wir ihn endlich schnappen?“
„Wie meinst du das, Kim?“, fragt Vic stirnrunzelnd.
„Naja“, sage ich, „schließlich hat er mir ja nie etwas angetan.“
„Das meinst du doch wohl nicht im Ernst, oder?“ Vic ist total entsetzt. „Körperlich vielleicht nicht, Kim, aber seelisch …“
Er holt tief Luft. „Wenn er geschnappt wird und ihm keins seiner dunklen Geschäfte nachgewiesen werden kann, hat er sich immer noch für deine Entführung zu verantworten.“
Renee nickt beifällig. „Jepp, und nicht zu vergessen, Freiheitsberaubung.“
Ich lasse mir diese ganzen Neuigkeiten durch den Kopf gehen, allerdings habe ich nicht mehr als fünf Sekunden Zeit.
„So, Schluss mit lustig!“ Renee und Vic springen auf ihre Füße und ziehen mich gemeinsam mit sich hoch. „Wir sind noch lange nicht fertig miteinander. Du hast noch viel zu lernen, Schwesterchen.“
Dem habe ich nichts entgegen zu setzen. Also füge mich ins Unvermeidliche … und liege noch in derselben Sekunde nach Luft japsend auf der Matte.
20)
K ay sehe ich so gut wie nie.
Nein, das stimmt nicht ganz! Ich sehe ihn überhaupt nicht. Was vermutlich auch besser ist.
Denn wenn ich auch anfangs noch darauf gewartet habe, dass er zu mir kommt und mit mir über das spricht, was immer es auch sein mag, das ich unbedingt erfahren muss, bin ich doch feige genug, das Thema nicht selbst anzusprechen. Auch die Jungs erwähnen ihr Gespräch mit keinem Wort.
Und wenn mich die Sehnsucht, Kay zu sehen, auch noch so zerfrisst, ist es gut so, wie es gerade ist.
Rede ich mir ein.
Renee, Vic und ich haben eine geschwisterliche Zuneigung zueinander entwickelt, wobei, entwickelt ist nicht der richtige Ausdruck. Das Gefühl, zusammen zu gehören, war beinahe sofort da, als ich mich am Tag nach unserem ersten Kennenlernen, überwunden habe, die beiden aufzusuchen.
Und es fühlt sich verdammt nochmal anders an, als meine Gefühle für Kay .
Kein Wort haben die beiden wegen meines grauenhaften Auftritts verloren, sondern mich einfach nur in die Arme genommen und in ihrer kleinen Familie willkommen geheißen.
So aufmerksam und liebevoll sie auch sonst sind - meine Brüder sind knallharte Lehrmeister, was unseren Unterricht in
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