Verbotene Leidenschaft
inzwischen bestimmt schon langweilig ist.
Ich versuche, Jen und Genoveva anzurufen, habe aber kein Handysignal. Vermutlich blockieren all die Apparate den Empfang.
Plötzlich höre ich markante, maskulin klingende Schritte auf dem Korridor. Der Arzt. Endlich.
Die Tür zum Warteraum wird aufgerissen.
Ich schlage mir die Hand vor den Mund.
Marc betritt den Raum.
❧ 84
M arc!«
Ich stehe auf und trete zu ihm. Nein, ich laufe. Werfe mich in seine Arme und vergrabe das Gesicht in seinem schwarzen Pulli. Er sagt kein Wort, sondern hält mich nur in seinen Armen, während sinnloses Gestammel aus mir herausbricht – über die missbilligende Schwester, darüber, wie alt und grau mein Vater aussieht und dass keiner weiß, ob er es schaffen wird.
Marc streicht mir übers Haar und zieht mich enger an sich. Er braucht nicht einmal etwas zu sagen, es genügt vollauf, dass er mich festhält. Schließlich verebben meine Tränen und der Wortschwall, und ich lasse mich gegen ihn sinken, atme tief durch und genieße das Gefühl der Sicherheit.
Er führt mich zu den Plastikstühlen.
»Ich habe mit dem Arzt geredet«, sagt Marc. »Es gibt durchaus Hoffnung, Sophia, das verspreche ich dir.«
»Danke.« Ich sauge den Duft seines Pullovers in meine Lunge. Mich wundert gar nichts mehr – weder, woher Marc weiß, dass ich im Krankenhaus bin, noch, wie er es geschafft hat, an die Ärzte heranzukommen, obwohl sich bisher niemand die Mühe gemacht hat, mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Es ist alles so … typisch für ihn. Und genau dafür liebe ich ihn. Aufrichtig. Von ganzem Herzen. In einem Moment wie diesem kann ich gar nichts anderes tun.
»Sie haben beschlossen, dass er erst mal nicht verlegt zu werden braucht«, fährt er fort. »Er bleibt hier.«
»Aber wie kommt das? Die Schwester sagt doch, dass sie die notwendigen Geräte dafür nicht haben.«
»Jetzt schon. Brauchst du etwas? Eine heiße Schokolade? Etwas zu essen?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, gar nichts. Ich … bleibst du bei mir? Das ist das Einzige, was ich mir wünsche.«
»Glaubst du etwa, ich würde dich in einem Moment wie diesem allein lassen?«
»Nein.« Ich schüttle so heftig den Kopf, dass meine Haare fliegen. »Niemals.«
❧ 85
D ie Zeit verrinnt. Ich sitze neben Marc und starre auf die Uhr. Tick, tack, tick, tack. Es ist die reinste Qual.
Um zwei Uhr früh erscheint ein Arzt in einem weißen Kittel im Türrahmen. Er trägt eine Brille mit einem dicken Gestell und ist kaum größer als ein Kind.
»Sophia Rose?«
»Ja.« Ich stehe auf.
Marc erhebt sich ebenfalls.
»Ich wollte Sie auf den neuesten Stand bringen. Ihr Vater … es sieht nicht gut aus.«
Ich sacke gegen Marcs Schultern, während mir neuerlich die Tränen in die Augen schießen.
Marc legt den Arm um mich. »Könnten Sie das etwas genauer definieren?«
Der Arzt schiebt seine Brille hoch. »Er war sehr lange ohne Bewusstsein. In solchen Fällen ist es klüger, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen.«
Marc starrt ihn an. »Auf das Schlimmste gefasst machen? Diesen medizinischen Begriff kenne ich nicht. Krankenhäuser sind doch dazu da, Menschen zu retten, oder irre ich mich da? Wenn Sie ihn schon vor dem Schädel-CT abgeschrieben haben, gibt es wohl ein echtes Problem.«
»Ich dachte bloß, ich informiere Sie …«
»Das ist auch sehr nett von Ihnen, aber eine etwas positivere Grundeinstellung wäre durchaus angebracht.«
»Nun ja …«, stammelt der Arzt und verschwindet.
Marc zieht sein Telefon heraus und tippt eine Nummer ein.
»Wen rufst du an?«
»Ich werde ein paar Spezialisten kommen lassen. Die besten Leute, die ich kriegen kann. Das Personal hier tut bestimmt sein Bestes, aber es fehlt ihnen an Erfahrung. Ich werde jemanden kommen lassen, der sich mit Fällen wie diesem auskennt.«
Ich lasse mich wieder auf den Plastikstuhl fallen. »Auf das Schlimmste gefasst machen«, murmle ich.
Stirnrunzelnd legt Marc mir die Hand auf die Schulter. »Du solltest lieber gar nicht erst so etwas denken. Das hilft weder dir noch deinem Vater. Du musst positiv denken. Das, was dieser Arzt offensichtlich nicht kann. Verdammt!« Er blickt auf sein Display. »Kein Empfang. Kann ich dich einen Moment allein lassen, Sophia?«
Ich nicke.
»Es wird nicht lange dauern, versprochen.« Er nimmt meine Hand und küsst meine Fingerspitzen.
Fünf Minuten später sehe ich Marc auf dem Parkplatz auf und ab gehen und Anweisungen in sein Telefon bellen. Ich blicke zu den
Weitere Kostenlose Bücher