Verbotene Lust
versuchte zu lächeln.
Aber es fiel ihr schwer. Sie war sauer auf André. Nicht mal im Urlaub konnte er es lassen! Hatten sie keine Vereinbarung getroffen? Aber nein, da fand er eine junge hilfsbedürftige Frau auf der Veranda. Oh,zufällig! Natürlich. Das sollte sie ihm glauben? Wenn er sich auch im Griff hatte, so war diese kleine Fremde eine miese Schauspielerin. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Fraß ihn förmlich mit Blicken auf.
Irgendwas ging doch zwischen den beiden vor!
Sie schenkte der jungen Frau Kaffee ein und hielt ihr den Korb mit den Hefeschnecken hin.
»Hm, danke.« Sie lächelte Sonja dankbar an.
Sonja setzte sich ihr gegenüber an den Tisch und schenkte sich ebenfalls Kaffee ein. »Wie heißt du?«, fragte sie, um einen Anfang zu machen.
Sie schaute auf. Ihr Pony war zu lang, sie trug ihn wie einen Schutz vor der Welt da draußen. »Wieso willst du das wissen?«
Sonja zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Vielleicht weil ich gerne die Namen der Leute kenne, mit denen ich frühstücke.«
Sie schnitt ihre Hefeschnecke auf, strich Butter drauf und beobachtete, wie sie langsam schmolz. Sie wartete, ohne die junge Frau anzusehen.
»Marlene. Und du?«
»Sonja.«
Marlene zerpflückte ihre Hefeschnecke.
»Hast du keinen Hunger?« Sonja wollte sich jedenfalls nicht den Appetit verderben lassen. Sie träufelte Honig auf die gebutterte Hefeschnecke und biss herzhaft hinein.
»Hm«, machte Marlene. »Eigentlich schon.«
»Aber?«
»Ich weiß nicht. Also … ich hab das Gefühl, dir ist es nicht recht, wenn ich hier bin.«
Sonja musste den Kaffeebecher mit beiden Händenumschließen und in großen Schlucken trinken, damit Marlene nicht merkte, dass sie rot wurde.
Schrecklich. Ständig wurde sie rot. Das war eine peinliche und völlig unnötige Reaktion. Obwohl Marlene mit ihrer Bemerkung quasi ins Schwarze getroffen hatte. Sonja wollte, dass sie wieder verschwand. Und zwar so schnell wie möglich.
»Ist wohl besser, wenn ich wieder gehe?«
»Deine Sachen sind noch in der Waschmaschine.« Völlig verdreckt waren die Klamotten gewesen, als hätte Marlene nächtelang in den Dünen geschlafen. Jetzt trug sie eine von Sonjas Hosen, die viel zu lang war, dazu einen dünnen Pullover. Die Ärmel hatte sie aufgekrempelt. Sonja hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihr keine dicken Wollsocken, sondern nur dünne Sportsocken geliehen hatte. Marlene sah aus, als wäre ihr kalt.
»Frierst du?«
Sie nickte. »Aber das ist nicht schlimm, ich halt’s schon aus. Ich friere oft.«
Trotzdem stand Sonja auf und ging die Treppe hoch. Schweigend. Sie wusste nicht, was sie mit dieser Frau – fast noch ein Mädchen! – reden sollte. Gerade erst hatte sie angefangen, sich mit der neuen Umgebung anzufreunden. Hatte versucht, sich auf einen Arbeitstag einzustellen, hatte in Gedanken einzelne Szenen durchgespielt, die sie schreiben wollte.
Und jetzt fühlte sie sich wieder aus der Bahn geworfen, aus der Sicherheit vertrieben, die sie mit diesem Urlaub um André und sich errichten wollte.
Wo war er überhaupt?
Sie zog ein Paar Wollsocken aus der Kommodenschubladeund nahm auch noch eine dicke Wolljacke mit, die sie meist beim Schreiben trug, weil sie sogar im Hochsommer früher oder später anfing zu frieren, weil sie die ganze Zeit nur saß.
Sie hörte im Badezimmer Wasser rauschen.
Er duschte also. Wie bequem für ihn! Erst halste er ihr Marlene auf, dann verdrückte er sich.
Sie versuchte, die Wut niederzuzwingen, die wieder in ihr hochbrandete.
Es hatte keinen Sinn, auf ihn wütend zu sein. Sie hätte vermutlich kaum anders gehandelt, wenn sie Marlene gefunden hätte.
Sie ging wieder nach unten.
Marlene saß am Tisch, wie sie sie zurückgelassen hatte. Die Hefeschnecke war zu einem Berg Krümeln auf ihrem Teller zerbröselt, von denen sie immer mal wieder einige mit dem Finger auftippte und aß.
»Hier.« Sonja gab ihr die Socken und die Jacke. Marlenes Blick war erstaunt, aber sie nahm die Sachen und zog sie an. Sie versank beinahe in der Jacke.
»Und was macht ihr hier so? Urlaub?«, fragte sie. Sonja setzte sich wieder ihr gegenüber. »Teilweise.
Mein Mann macht Urlaub, ich arbeite.«
»Was arbeitest du denn?«
»Ich schreibe Bücher.«
Marlene hob den Kopf. »So richtige Romane? Dicke Wälzer, die dann von allen Leuten gelesen werden?«
Sonja nickte lächelnd. Sie kannte diese Reaktion. »Genau so was. Warte mal.« Sie stand wieder auf. Im Arbeitszimmer hatte sie gestern ihr letztes
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