Verbotene Sehnsucht
Hängebacken zitterten, ihr üppiger Busen wogte heftig– James befürchtete einen Moment lang, dass sie vornüberkippen könnte.
Die Frau schaute ihn fragend an, und er nickte. » Sobald wir hier alles besprochen haben, sollen meine Schwestern ihre Sachen packen.«
Die Mädchen starrten ihn mit aufgerissenen Augen an. Offenbar fiel es ihnen schwer zu begreifen, was er gerade gesagt hatte.
» Wollt ihr mit mir kommen und bei mir leben?«, fragte James verspätet. Schließlich wusste er nicht einmal, ob sie überhaupt mit ihm gehen wollten. Schließlich war er trotz ihrer Blutsverwandtschaft letztlich ein Fremder. Vielleicht blieben sie lieber in der vertrauten Umgebung ihrer Schule.
Die Schwestern wechselten einen Blick, den er nicht entschlüsseln konnte, bevor sie sich ihm zuwandten und zögernd nickten. James lächelte erleichtert.
» Seid ihr jemals in London gewesen?«
Charlotte– er glaubte zumindest, dass es Charlotte war– antwortete schüchtern. » Vor ein, zwei Jahren.«
Nun, dann wurde es ja höchste Zeit, dachte er. Wenn sie das Alter erreichten, in dem sie debütierten, kam es ihnen bestimmt schon so vor, als seien sie nie woanders gewesen als in London. James war überzeugt, dass sie das Leben in der Hauptstadt genießen würden, das mit seiner ererbten Stellung als Peer des Königreichs verbunden war.
» Mrs. Doubletree hat uns gesagt, dass unser Vater tot ist«, sagte Catherine.
» Ja, das ist unglücklicherweise wahr.«
Das Mädchen betrachtete ihn, als wisse es nicht so recht, ob es ihn als vertrauenswürdig einstufen sollte oder nicht. » An unsere Mutter können wir uns nicht erinnern. Kannten Sie sie? Oder können Sie uns vielleicht mehr über unseren Vater erzählen? Wir wissen nicht besonders viel über ihn.«
Die Wangen der Schulleiterin röteten sich. » Nun, Catherine, es reicht.«
James hielt eine Hand hoch. » Nein, ich bitte Sie, Madam, Lassen Sie es gut sein. Es tut mir leid, aber eure Mutter habe ich nicht gekannt. Wie auch immer, ich bin überzeugt, dass sie eine bezaubernde Frau gewesen sein muss. Und was unseren Vater angeht, er war ein überaus großzügiger und liebenswürdiger Mann. Es scheint allerdings, als hätte ich ihn nicht so gut gekannt, wie ich glaubte.«
» Die Mädchen können ihre Sachen sehr schnell packen«, unterbrach Mrs. Doubletree ihn abrupt, » macht schon, Kinder– euer Bruder ist ein viel beschäftigter Mann.«
» Meinetwegen müssen Sie sie nicht drängen. Wir haben alle Zeit der Welt«, besänftigte James sie.
Die Mädchen knicksten und stürmten aus dem Büro.
Sie brauchten genau eine halbe Stunde zum Packen ihrer Habseligkeiten, die in zwei kleine Koffer passten. Das würde sich bald ändern, beschloss er. Auch Charlotte und Catherine sollten all die Dinge besitzen, die für Mädchen ihres Alters angemessen waren, und noch viel mehr.
Nachdem die Schwestern sich steif von der Frau verabschiedet hatten, die in den vergangenen zehn Jahren für ihre Fürsorge und den Unterricht verantwortlich gewesen war, machten die drei sich auf den Weg nach London.
24
J ames ist wieder in der Stadt«, verkündete die Viscountess, die in der Schlafzimmertür stand.
Missy bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. Sie hatte bereits davon erfahren– auch dass zwei junge Mädchen ihn begleiteten, angeblich seine Mündel. Aber das kümmerte sie nicht mehr, denn in zwei Tagen würde sie auf dem Weg nach Amerika sein. Cousine Abigail sollte noch heute Abend eintreffen, und alles war arrangiert. James konnte tun und lassen, was er wollte. Er liebte sie nicht. Er liebte sie nicht.
Die Viscountess trat ins Zimmer und schloss die Tür. Mit kleinen Schritten stieg sie über mehrere Reisekoffer und stieß eine Ledertasche beiseite, bevor sie sich neben ihre Tochter setzte.
» Mama, ich will nicht über James diskutieren. Es geht mich nichts an, was er tut und was nicht. Ich hege nicht mehr dieselben Gefühle für ihn wie früher.« Sie hob einen Seidenumhang hoch, den sie vielleicht auf ihre Reise mitnehmen wollte.
Es stimmte. Ihre Gefühle hatten sich tatsächlich verändert, denn es waren nun die einer erwachsenen Frau. Einer, die inzwischen alle Spielarten der Lust kannte, was auch zur Liebe gehörte. Aber Missy war überzeugt, dass diese Gefühle bald verblassen würden. Sie hoffte es jedenfalls inständig.
» Mein Liebling, er will dich heiraten. Ich möchte meinen, dass das etwas über seine Gefühle aussagt«, sagte die Viscountess sanft.
Der Blick
Weitere Kostenlose Bücher