Verbotene Sehnsucht
spät.«
Irritiert beobachtete Missy, wie die beiden die Bibliothek verließen. Thomas drehte sich um und zwinkerte James listig zu, doch der verzog nur düster das Gesicht.
Missy und James blieben alleine zurück und versanken in Schweigen– in die Sorte Schweigen, die von Sekunde zu Sekunde unangenehmer wird.
» Du siehst zerrupft aus«, sagte Missy plötzlich belustigt.
James betrachtete sie mit der Verzweiflung eines Wanderers, der sich in der Wüste verlaufen hat und die rettende Oase bereits vor sich sieht. » Ich dachte, du seiest fort«, erwiderte er leise und heiser.
Sie zog die Brauen hoch. » Fort? Wohin?«
» Nach Amerika. Ich befürchtete schon, du hättest mich verlassen.« Er ließ seine Augen eindringlich auf ihr ruhen.
Missy kannte diesen Blick und spürte, wie er ihre Sinne reizte. Sie zwang sich, ihn nicht anzuschauen, da sie sonst binnen kurzer Zeit seinem Zauber erliegen würde.
» Wie kann ich dich verlassen?«, gab sie mit belegter Stimme zurück. » Wir sind doch gar nicht zusammen.«
James kam zu ihr und ergriff ihre Schultern.
» Du bist jeden Tag bei mir«, versicherte er ihr und blickte ihr tief in die Augen.
Missy merkte, dass sie schwach wurde, und verwünschte ihn einmal mehr.
» Falls du glaubst, dass ich schwanger bin wegen unseres letzten… Du weißt schon, weil wir noch einmal zusammen waren. Nein, bin ich nicht, und diesmal sage ich die Wahrheit.« Sie richtete den Blick auf sein blaues Halstuch, das gegen alle Gewohnheit ganz schief saß.
James ließ die Hände von ihren Schultern gleiten, umfasste ihre Taille und zog sie an sich. Ihre Nase strich über seinen Nacken, sodass sie mit jedem Atemzug diesen schweren männlichen Duft einatmete, der untrennbar zu ihm gehörte. Sie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu winden, aber er verhinderte es.
» Dann machen wir einfach weiter, bis du es bist«, flüsterte er ihr ins Ohr und hauchte einen zarten Kuss darauf. Missy stöhnte auf und presste die Schenkel fest zusammen, ohne dass es irgendetwas nützte. Sie spürte, wie sich erwartungsvolle Erregung in ihrem Unterleib ausbreitete.
Sie drehte den Kopf, um seinen verführerischen, räuberischen Lippen zu entgehen. » Damit du dann für den Rest deines Lebens bedauern kannst, dass wir uns jemals über den Weg gelaufen sind? Nein, danke.«
James hob den Kopf ganz langsam, nachdem er tausend kleine Küsse überall in ihrem Nacken verteilt hatte. Als sie sich wegdrehen wollte, umklammerte er ihr Kinn fest mit der Hand und schaute ihr direkt in die Augen.
» Ich war ein Dummkopf. Weil ich es zugelassen habe, dass die Verbindung meiner Eltern meine Auffassung von der Ehe beeinflusste. Erst kürzlich habe ich erfahren, dass mein Vater nicht das törichte Opfer war, wie ich immer dachte, und meine Mutter nicht einfach die kalte, abweisende Ehefrau, sondern eine, die verbittert und unglücklich wurde, weil sie ihr Mann ständig betrogen hat. Um ehrlich zu sein, weigerte ich mich deshalb, mich zu verlieben. Und dann kamst du, zu schön und zu frühreif für meinen Seelenfrieden. Ich wollte dich bereits, als du erst siebzehn warst. Kannst du dir vorstellen, was es für mich bedeutete, Verlangen nach jemandem zu empfinden, den ich andererseits noch als Kind betrachtete? Ungezählte Tage habe ich gelitten und mich schuldig gefühlt. Dass du die Schwester meines besten Freundes bist, machte es nur noch schlimmer. Mir war bewusst, dass ich niemals meinen Gefühlen nachgeben durfte, ganz gleich wie es um dich stand. Du hattest etwas Besseres verdient als mich.«
» Aber das, was du empfandest, war nichts als Lust. Das hast du mir unzählige Male gesagt.« Wie gerne hätte sie ihm seine Worte geglaubt, doch wie konnte sie sich sicher sein nach allem Auf und Ab, nach all den Enttäuschungen, die ihr mehr als einmal das Herz gebrochen hatten.
» Ich dachte selbst, dass nicht mehr dahintersteckte. Aber an jenem Tag, an dem du mir sagtest, dass es kein Kind geben werde, ist mir klar geworden, dass das alles nur eine Schutzbehauptung war. Plötzlich wusste ich, wie sehr ich mich danach sehnte, dich zu heiraten, ob nun mit meinem Kind schwanger oder nicht. Wusste, wie sehr ich dich liebe.«
» Aber Lady Victoria…«
» Zwischen ihr und mir ist nie etwas geschehen«, beharrte er düster.
» Aber…«
James griff nach ihrer Hand und führte sie zum Sofa, erzählte ihr die ganze Geschichte. Missy schwankte zwischen Mitleid– sie konnte Victoria irgendwie verstehen– und Verärgerung,
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