Verbotene Sehnsucht
die nach Befriedigung strebte. Schroff fuhr er sie an: » Da hast du nun deinen Kuss.«
» Ja«, erwiderte Missy sanft und immer noch ein wenig benommen.
» Du bist noch unschuldig. Daher kannst du gar nicht wissen, dass Küsse dieser Art nichts zu bedeuten haben. Es handelt sich nur um die natürliche Reaktion eines männlichen Körpers auf eine hübsche und willige Frau.«
Sie öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, und schloss ihn wieder. Dann drehte sie sich zum Ausgang, um nach demTürknauf greifen, aber James umschloss ihr zartes Handgelenk.
» Ich hoffe«, fuhr er hart und kalt fort, » dass andere Männer nicht auch in den Genuss der Freiheiten gekommen sind, die du mir heute Abend gewährt hast. Falls doch, wird dir schon bald ein Ruf anhaften, der dir ganz sicher nicht gefällt.«
Missy neigte den Kopf, um ihn direkt anzuschauen. » Niemals würde ich irgendeinem anderen Mann so etwas erlauben.« Die Bedeutung ihrer Worte war unmissverständlich.
James ließ so plötzlich ihr Gelenk los, als hätte er eine heiße Herdplatte berührt.
» Ich erwarte, dass du dein Versprechen hältst. Und dass ich dich in dieser Saison bei allen Veranstaltungen treffe.« Wieder umspielte das nervöse Lächeln ihre Mundwinkel. Missy öffnete die Tür und vergewisserte sich, dass keine Zeugen in der Nähe waren, bevor sie aus dem Herrensalon schlüpfte.
James verharrte noch ein paar Minuten vor dem Kamin, während die schlimmsten Befürchtungen in ihm aufstiegen und ihn beinahe zu verzehren drohten.
Missy war klar, dass sie mit ihrer zerzausten Frisur nicht wieder auf dem Ball erscheinen konnte, zumal auch ihre restliche Erscheinung verriet, was soeben passiert war. Folglich suchte sie den Ruheraum der Damen auf, der königlichen Ansprüchen genügt hätte und in dem, von einem großen Kristallleuchter erhellt, zwei große, ovale Spiegel mit Goldrahmen standen sowie Kanapees und etliche Sessel, auf denen die Ladys während der Tanzpausen neue Kräfte sammeln konnten.
Für Missy allerdings war es ungleich wichtiger, die Spuren ihrer leidenschaftlichen Begegnung zu tilgen, ihr Haar zu glätten und neu aufzustecken, ihre in Unordnung geratenen Röcke zurechtzuziehen. Danach blieb sie noch einige Minuten, um in aller Ruhe darauf zu warten, dass die hitzige Röte auf ihren Wangen sich abkühlte.
Als sie in die Halle zurückkehrte, hatte sie das Gefühl, sich wieder einigermaßen im Griff zu haben, nur um als Erstes mit ansehen zu müssen, wie James um Lady Victoria Spencer herumscharwenzelte. Es war, als hätte man kaltes Wasser auf die Glut in ihrem Innern geschüttet. Sie beobachtete, wie er sich zu ihr hinunterbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Dunkles Haar hob sich scharf von blonden Locken ab. Die Kehle schien ihr wie zugeschnürt, und eine Welle der Eifersucht– heißer, brennender Eifersucht– durchflutete sie.
Ihr eisiger Blick hätte die beiden eigentlich in Stein verwandeln sollen. Bevor sie sich abwandte, hob er den Kopf und schaute sie an, ließ seine Augen eine Weile mit düsterer Miene auf ihrem Gesicht ruhen, bis er seine Aufmerksamkeit schließlich wieder der blonden Lady an seiner Seite widmete.
» Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst.«
Missy erschrak, als sie die Stimme ihrer Freundin hörte.
» Ich habe gesehen, dass es dir gelungen ist, dir Lord Rutherford für einen Tanz zu schnappen«, sagte Claire, die plötzlich neben ihr auftauchte, und schien nähere Erläuterungen zu erwarten.
Mit einem Mal glaubte Missy zu ersticken, wenn sie nicht gleich ihre ausgedörrte Kehle befeuchtete, und machte sich auf den Weg zu den Erfrischungen, begleitet von Claire. Sanft raschelten ihre Kleider aneinander.
» Ja, wir haben getanzt, aber das war alles.« Unnötig, der Freundin von dem Kuss zu erzählen und davon, was sich am Tag zuvor in der Bibliothek abgespielt hatte. Claire wusste seit langem von ihren Gefühlen für James und machte keinen Hehl daraus, was sie davon hielt. Nämlich nichts, wie sie ihr dauernd zu verstehen gab. Im Moment aber war sie nicht in der Stimmung für weitere Predigten.
Ein livrierter Lakai bot Missy ein Glas Bowle an, das sie an ihre Freundin weiterreichen wollte. Rasch schüttelte Claire den Kopf. » Mr. Finley hat mir heute Abend schon zweimal nachgeschenkt.«
Missy blickte sie forschend an, doch als Claire sich in Schweigen hüllte, verzichtete sie darauf weiterzubohren und trank einen großen Schluck des übermäßig süßen Getränks.
Claire war
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