Verbotene Sehnsucht
Hose die langen, schlanken Beine vorteilhaft zur Geltung brachte. Als er sich zusammen mit Thomas durch das dichte Gedränge der nach einem Ehemann suchenden Debütantinnen manövrierte, verrenkten sich die Ladys förmlich die Hälse nach den auf ganz unterschiedliche Art attraktiven, eleganten Erscheinungen. Sowohl die Fächer als auch die Augenlider flatterten wie wild.
Noch nie hatte Missy es so eilig gehabt, einen Tanz zu beenden. Sie verfolgte James mit den Blicken und stellte erfreut fest, dass er bei ihrer Mutter stehen blieb.
Als der Walzer in einem überschwänglichen Finale ausklang, strebte sie sogleich von Crawley fort und lehnte sein aufdringliches Angebot, sie zu den Erfrischungen zu begleiten, mit einem liebenswürdigen Lächeln ab. Ebenso ein halbes Dutzend Einladungen für den nächsten Tanz. Sie hatte nur noch Augen für einen.
» Wie du siehst, sind die Männer inzwischen auch da«, meinte die Viscountess, als sie bei der kleinen Gruppe ankam.
» Ich kann mir kaum vorstellen, dass man uns in dem Schwarm der Gentlemen vermisst hat, die um Missys Gunst buhlen«, spottete Thomas.
» Du meinst Lord Crawley? Du weißt ganz genau, dass er nur eine Bekanntschaft ist. Mehr nicht.« Selbst während sie die Bemerkung ihres Bruders kommentierte, dachte sie nur an James, der schweigend an seiner Seite stand. Auf keinen Fall sollte er befürchten müssen, mit anderen Herren um ihre Zuneigung rivalisieren zu müssen. Sie gehörte ihm. Hatte immer ihm gehört und würde immer ihm gehören– wenn er es denn nur gestattete.
James räusperte sich, während er mit leicht zusammengekniffenen Augen zu Lord Crawley hinüberblickte, der gemeinsam mit drei anderen jungen Männern Missy beobachtete. Der stämmige Lord bemerkte die auf ihn gerichteten Blicke, hob sein Glas und prostete ihnen zu. Thomas nickte zurück. James biss die Zähne noch fester zusammen.
» Wer unter den Gentlemen, die heute Abend zu Gast sind, würde Millicent nicht schlechterdings umwerfend finden?«, meinte die Viscountess und strahlte vor mütterlichem Stolz.
Thomas lächelte, und Missy errötete. James’ Blick schoss zu ihr hinüber, bevor er sich abwandte. Die ganze Zeit blieb seine Miene reglos.
Die Viscountess schaute sich rasch um, bevor sie bemerkte: » Thomas, ich glaube, ich habe Charlotte Ridgeway gesehen. Das rosafarbene Kleid steht ihr ausgesprochen gut, findest du nicht auch?«
Thomas lachte trocken. Die Viscountess zeichnete sich nicht unbedingt durch Raffinesse aus, und Missy war überzeugt, dass diese Bemerkung nicht zufällig gefallen, sondern als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen war, zumal jedermann wusste, dass Charlotte zärtliche Gefühle für ihren Bruder hegte. Mit spöttisch hochgezogenen Brauen, angespanntem Lächeln und einem ebenso harten wie schnellen Blick auf James gehorchte Thomas seiner Mutter und machte sich auf die Suche nach der jungen Lady.
» Übrigens, James«, fuhr die Viscountess fort, » da es scheint, dass Sie die anderen Gentlemen mit Ihrem bedrohlichen Blick in die Flucht geschlagen haben, warum entführen Sie meine Tochter nicht und schwingen mit ihr einmal über das Parkett? Während Ihrer Abwesenheit hat sie einiges gelernt.« Das Wort » Abwesenheit« klang einen Hauch vorwurfsvoll und spielte zweifellos auf die vergangenen zwei Jahre an, in denen er sich bei dieser alljährlichen Vergnügung hatte entschuldigen lassen. Missys Mutter verzog den Mund zu einem leichten Lächeln, dabei gleichzeitig signalisierend, dass ihre Bitte mehr einem Befehl gleichkam.
Die Grübchen auf James’ Wangen färbten sich rot, als er den Kopf in Richtung Missy neigte und ihr seine Hand bot. Sie konnte ihre Freude kaum verbergen, als er sie zur Tanzfläche führte, sie in die Arme nahm, ihre Hand in seiner, und ihre Hüften umfasste. Eine Berührung, die Missy erzittern ließ und heftige Gefühlsstürme bei ihr auslöste. James dagegen ließ sich keinerlei Regung anmerken, hielt den Kopf starr nach oben gestreckt und starrte unbewegt über sie hinweg, während der Walzer begann.
Missy blinzelte durch die dunklen Wimpern und entdeckte seinen strengen Gesichtsausdruck, seinen in die Ferne schweifenden Blick. Doch plötzlich spürte sie, dass er seine Augen auf sie richtete, und hoffnungsvoll schaute sie auf, aber seine Miene war unverändert versteinert, ohne den Anflug eines Lächelns. Wahrscheinlich war er ihr immer noch böse wegen des Vorfalls in der Bibliothek. Was in ihren Augen nur eines bedeuten
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