Verbotene Sehnsucht
konnte: Sie musste ihre Anstrengungen verdoppeln.
» Meine Mutter hat recht. Heute Abend siehst du schlicht verboten aus.« Sie bemühte sich um einen leichten und spöttischen Tonfall.
» Du weißt ja, dass ich solche Veranstaltungen eigentlich nicht besonders mag«, meinte er zurückhaltend.
» Und welche magst du stattdessen?«
Bei dieser Frage verstärkte er den Griff um ihre Hüfte und zog sie näher zu sich heran. Seine Augen verschatteten sich, und seine Antwort kam nur langsam. » Solche, über die ich in Gesellschaft von Damen kaum sprechen darf.«
» Aber vielleicht handelt es sich um etwas, was ich auch genießen würde.«
James, eigentlich als eleganter Tänzer bekannt, geriet unvermittelt aus dem Takt. Der Fehler war geringfügig, kaum bemerkbar– mit Ausnahme für jemanden, der seit den letzten zehn Jahren sein Verhalten genauestens studierte und selbst die kleinste Nuance registrierte.
» Ja, es kommt mir in der Tat so vor, als seiest du ziemlich lernbegierig…« Er bedachte sie mit einem strengen, unwirschen Blick, der allerdings den Bruchteil einer Sekunde zu lange auf ihrem Dekolleté haften blieb, um noch schicklich zu sein. » Was die elementaren Dinge des Lebens betrifft.«
Die Hitze durchfloss ihren Körper, leichte Röte stieg ihr ins Gesicht, doch er führte sie weiter mit festem Griff über das Parkett. Und als der Tanz zu Ende war, brachte er sie nicht zu ihrer Mutter zurück, sondern umfasste ihren Ellbogen und ging mit ihr in Richtung eines Türbogens, der durch zwei riesige Farnkübel verdeckt wurde, sodass niemand sie sehen konnte. James selbst vermochte, wenn er den Kopf reckte, mit Not über die Spitzen der Pflanzen hinwegzuschauen. Hinter der Tür befand sich ein kleiner Herrensalon.
Missy fühlte sich innerlich aufgewühlt, benommen und aufgeregt zugleich und überglücklich, sich seiner Führung anzuvertrauen… Wieder einmal.
3
I n dem dämmrig beleuchteten Raum glomm nur noch ein ersterbendes Feuer im Kamin, als James sie entschlossen vor sich hinstellte. » Einen Kuss, hast du gesagt. Gut, du bekommst ihn. Aber nur, wenn es danach endlich aufhört.«
Mit großen, runden Augen starrte Missy ihn an. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ein nervöses Lächeln in ihren Mundwinkeln zuckte.
Lieber Gott, ihr Mund. Zum Teufel nochmal, ihr Mund.
Es war verrückt, was er vorhatte. Einfach nur verrückt. In dieser Sekunde wurde ihm überdeutlich bewusst, dass er diesem wahnsinnigen Spiel ein Ende setzen sollte. Obwohl er nur die Wahl hatte, sich darauf einzulassen oder draußen auf der Tanzfläche unaussprechliche Sünden mit ihr zu begehen. James konnte förmlich hören, wie Armstrongs Pistole klickte, bevor er die Kugel in seiner Brust versenkte. Er war mittlerweile an dem Punkt angelangt, dass er alles tun würde, um ihren Flirt zu beenden. Ihre Verliebtheit. Diese verdammte Jagd auf ihn. Der Zweck heiligte die Mittel, wenn man es so betrachtete.
Ein Kuss.
Seine Willenskraft sollte doch wohl stark genug sein, um ihr für die Dauer eines einzigen verdammten Kusses zu widerstehen und unbeteiligt und reglos zu bleiben? Du lieber Himmel, welche Verlockungen auch immer von ihr ausgehen mochten, Missy war noch Jungfrau. Er hingegen zog es vor, dass Frauen, mit denen er sich einließ, über eine gewisse Sachkenntnis in sexuellen Angelegenheiten verfügten.
Aber was ihr an Erfahrung fehlt, kann sie mit Leidenschaft wieder wettmachen. Er hörte nicht auf die provozierende Stimme in seinem Kopf, die ihn zu verlockenden Spielchen zu provozieren versuchte.
» Nun?« Jetzt war es an ihm, sie herauszufordern. » Willst du mich jetzt doch nicht küssen?«
Unruhig trat sie von einem Bein aufs andere, wirkte jünger und unsicherer, als sie es ihrem Alter nach noch sein durfte.
» Das mit dem Kuss war nicht meine Idee«, fuhr er fort. » Du bist diejenige, die keine Ruhe geben wird, bevor wir dieses Mysterium, das deiner Meinung nach zwischen uns schwebt, nicht gelüftet haben. Nur zu, lüfte es.«
Sie starrten einander mehrere Sekunden lang an, bevor Missy vortrat und sich nach vorne beugte, bis die seidige Korsage ihres Kleides auf den Stoff seines Frackes traf. James versuchte, das unbändige Verlangen zu ignorieren, das ihn wie ein Schock traf und ihn dazu brachte, seine Kriegslist nochmals zu überdenken.
Missy neigte den Kopf zurück und legte die Hände auf seine Schultern. Sie schloss die flatternden Lider, als ihre Lippen seine berührten. Er verhielt sich reglos, hatte
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