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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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wundervoll, und nun, da sie sich wieder unter Menschen aufhielt und Schönheit sich lohnte, versuchte sie, in immer noch ein wenig Durchsichtigerem aufzutreten als andere Frauen. Joanna verkniff sich jede anzügliche Bemerkung über ihre ausufernden Fettmassen, die nun besonders grotesk hervorquollen. Da sie nichts anderes zu tun hatte, schlenderte sie mit ihr durch die Stadt und lauschte den vielen abenteuerlichen Geschichten, die in den Straßen kursierten. Bei ihrer Ankunft Anfang Juni sprachen die Leute überall aufgeregt von der Rebellion im sächsischen Heer, die für einige Unruhe gesorgt hatte. Sachsen war, wegen seiner Bündnistreue zu Napoleon, auf dem Wiener Kongreß von den Alliierten geteilt und zu zwei Fünfteln an Preußen gegeben worden. Als sich Anfang Mai die preußische Armee in Belgien sammelte, brach bei den sächsischen Regimentern in Lüttich plötzlich eine Rebellion gegen die Preußen los. Ein großer Haufen angetrunkener Soldaten zog vor das Haus von Feldmarschall Blücher, schrie den Namen das sächsischen Königs oder sogar »Vivat Napoleon«, beschimpfte die Preußen und warf Steine in die Fenster von Blüchers Quartier. Die Unruhen waren zunächst nicht zu kontrollieren und wurden so heftig, daß Blücher durch eine Hintertür die Flucht ergreifen mußte. Tage später erst gelang es, die aufständischen Bataillone zum Aufgeben zu bewegen und zu entwaffnen. Sieben Rädelsführer wurden sofort hingerichtet, aber trotzdem flammten hier und da wieder Aufstände auf, wenn auch vorsichtiger und zurückhaltender. Viele Menschen argwöhnten, die Sachsen würden vielleicht mitten in der entscheidenden Schlacht gegen Napoleon die
Seite wechseln und der Sache der Verbündeten damit großen Schaden zufügen.
    Belinda sog solche Berichte gierig ein und hatte offenbar das Gefühl, selber eine der Hauptbeteiligten in den bevorstehenden Kämpfen zu sein. Im übrigen widmete sie sich der zunächst schwierigen Aufgabe, ihren Mann wiederzufinden, von dem sie wußte, daß er Oberleutnant in Wellingtons Kavallerie war, von dem sie aber keine Adresse in Brüssel hatte. Sie bekam beinahe einen Nervenzusammenbruch, als sie ihn während einer Spazierfahrt mit Joanna plötzlich in Begleitung einer schönen rothaarigen Frau durch die Straßen spazieren sah.
    »Oh, als ob ich es nicht geahnt hätte!« schrie sie. »Genau so etwas hatte ich erwartet! Anhalten, sofort anhalten!«
    Der Kutscher hielt erschrocken den Wagen, und Belinda stürmte hinaus, wobei sie mit mehreren Menschen und beinahe einem Pferdefuhrwerk zusammenstieß. Joanna folgte ihr besorgt.
    Sir Wilkins schrak zusammen, als seine Frau wie eine Furie vor ihm auftauchte, seine rothaarige Begleiterin zur Seite stieß und ihn selber am Arm packte.
    »So ist das, Benjamin Wilkins!« tobte sie. »Das hättest du nicht erwartet, nicht wahr? Du dachtest, ich sei in England! Aber da hast du dich getäuscht! Wer ist dieses Luder?«
    Wilkins brachte vor Überraschung kein Wort hervor. Es verwirrte ihn noch mehr, als plötzlich auch noch Joanna hinzutrat.
    »Sie sind auch hier? Ich verstehe nicht...«
    »Lord Gallimore und ich hatten eine Reise auf den Kontinent geplant. Und Belinda hat sich angeschlossen.«
    »Ah ...«
    »Das kommt dir recht ungelegen, wie?« fragte Belinda spitz. Sie hatte sich wieder ein wenig beruhigt, da die Rothaarige eilig verschwunden war. Sir Wilkins faßte sich endlich.
    »Welch eine Überraschung!« rief er überschwenglich. »Hätte ich gewußt, daß du kommst...«
    »Dann wärst du wohl nicht mit dieser abscheulichen Ziege auf offener Straße herumspaziert! Wer war sie?«

    »Oh, sie ist ganz unwichtig. Komm, Liebste, lächle doch mal!« Er gurrte noch eine Weile, und schließlich war Belinda besänftigt. Joanna hoffte, sie werde nun in das Quartier ihres Mannes übersiedeln, aber leider zog statt dessen Sir Wilkins zu ihr, und alles blieb beim alten. Allerdings war Belinda nun meistens mit Wilkins zusammen, und Edward ging ohnehin seine eigenen geheimnisvollen Wege. Joanna blieb allein zurück. Die langen, warmen Nachmittage in ihrem Zimmer, die sie am Fenster stehend verbrachte, behielten für sie in der Erinnerung ein Leben lang eine stille, unheilschwangere Stimmung, den Eindruck einer Ruhe vor dem Sturm. In der schweren, sommerlichen Ruhe konnte sie ein Gefühl von kommendem Schrecken nicht loswerden. Die einzige Abwechslung bedeuteten die regelmäßigen Anproben bei einer Schneiderin, die einige Straßen weiter wohnte.
    Für

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