Verbrannte Träume.
Blutfleck.
»Sie haben sich verletzt«, sagte der eine.
»Es ist nur ein Kratzer«, sagte ich.
»Ich habe mich an einer Türkante gestoßen.«
Dann saßen wir im Wohnzimmer. Der Anrufbeantworter blinkte. Aber die Männer sahen es nicht. Ich hatte mich neben das Tischchen gesetzt. Sie saßen mir gegenüber. Der eine sagte:
»Wir wollen Sie nicht lange aufhalten.«
Und kam zur Sache. Zwei Männer in teuren Anzügen, Mäntel darüber, die auch nicht nach Secondhand aussahen. Beide Mitte Vierzig. Sie sahen seriös aus, Geschäftsleute, gehobener Mittelstand. Mitglieder einer Partei. Sie hatten bei Ulli einen Posten Kugelschreiber für eine Wahlveranstaltung geordert. Jetzt warteten sie auf ihre Lieferung. Sie war ihnen für Montag zugesagt worden, bezahlt war sie auch schon. Nur noch nicht geliefert. Mach bloß keinen Fehler, Andrea, dachte ich. Überleg dir jedes Wort dreimal. Mach ihnen klar, daß du von nichts eine Ahnung hast.
»Es muß sich um die Lieferung handeln, die am Freitag hier ankam«, sagte ich.
»Mein Mann hat den Karton sofort in den Wagen gebracht. Ob er noch am Freitag abend ausliefern oder bis Montag warten wollte, weiß ich nicht. Wir haben nicht darüber gesprochen. Wir haben nie über geschäftliche Dinge gesprochen.«
Ich schaffte ein dummes Lächeln.
»Mein Mann meinte, davon hätte ich ja doch keine Ahnung. Er ist am Freitag abend nach Köln gefahren. Auf der Rückfahrt hatte er einen Unfall. Vielleicht haben Sie es gelesen. Es stand in der Zeitung. Der Wagen ist ausgebrannt. Sie können sich bei der Polizei in Kürten erkundigen. Da war nichts zu retten, absolut nichts. Ich weiß nicht, ob mein Mann den Karton auf der Rückfahrt noch bei sich hatte. Alles, was im Wagen war, ist völlig verbrannt. Es tut mir leid. Ich werde Ihnen den Schaden ersetzen. Wieviel haben Sie denn bezahlt?«
Sie schauten sich an, unbewegte Mienen. Mir schlug das Herz zum Hals raus. Die großen Bosse, die sich persönlich nach dem Verbleib ihrer Ware erkundigen. So sahen sie aus, wie die großen Bosse. Aber die blieben wahrscheinlich im Hintergrund. Und mir saßen nur zwei untergeordnete Ränge gegenüber. Die den Auftrag hatten, die Ware zurückzuholen und vielleicht einen kleinen Unfall zu inszenieren. Der Einfachheit halber ein Fön in die Badewanne. Aber es gab keine Badewanne in meiner Wohnung, nur die Dusche, und da steigt man nicht mit dem Fön rein. Vielleicht über den Balkon auf die Straße werfen. Oder eine Spritze von dem Zeug. Mir war furchtbar übel. Ich wollte ruhig bleiben, aber ich schaffte es nicht. Ich fing an zu weinen, fragte noch einmal:
»Wieviel haben Sie denn bezahlt? Ich gebe Ihnen das Geld zurück. Das ist kein Problem. Ich kann Ihnen einen Scheck ausstellen.«
Und wenn sie die fünfzigtausend verlangt hätten, hätte ich einen Scheck über fünfzigtausend ausgestellt und das Geld am nächsten Morgen auf mein Konto eingezahlt. Nur damit sie wieder verschwanden und mich in Ruhe ließen.
»Damit ist uns leider nicht geholfen«, sagte der eine. Es war immer derselbe, der sprach. Der andere saß nur dabei. Aber er ließ mich nicht aus den Augen. Er machte mir mehr Angst als der Sprecher.
»Wir haben uns auf die Zusage Ihres Mannes verlassen«, erklärte der.
»Es wird kaum möglich sein, kurzfristig einen Ersatz zu beschaffen.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich,«ich habe mich nie um die Geschäfte meines Mannes gekümmert. Ich hatte ja auch keine Zeit. Ich bin berufstätig und den ganzen Tag außer Haus. Ich weiß nicht, von welchem Hersteller mein Mann die Ware bezogen hat. Ich kann nicht einmal in seinen Unterlagen nachsehen. Die sind im Schreibtisch, und der ist verschlossen. Die Schlüssel hatte mein Mann bei sich. Und es ist alles verbrannt.«
Mein Gott, warum gingen sie nicht endlich? Was sollte ich ihnen denn noch erzählen? Sie schauten sich an. Sie überlegten, jeder für sich, ich sah es ihnen an. Was machen wir jetzt mit der? Legen wir sie hier um, oder nehmen wir sie mit und erledigen sie unterwegs. Ich fühlte, daß mir etwas in der Kehle saß. Locker und bereit, in der nächsten Sekunde hochzuschießen. Gebrüll! Und als ich dachte, ich könne es nicht länger zurückhalten … Wieder die Türklingel. Der Retter in höchster Not! Noch einmal der liebe Lutz! Meldete sich frisch und fröhlich über die Gegensprechanlage mit einem lässigen:
»Ich bin’s, Andrea. Machst du mal auf?«
Er nahm die Treppen in Rekordgeschwindigkeit, stand vor der Wohnungstür, da hatte
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