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Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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selbst?
    Mary. Ob sie wohl dachten, Mary hätte mit dem Raub zu tun? Nur weil sie befreundet waren? Weil er ihr erzählt hatte, dass … Nein, das würden sie nie von ihm erfahren! Nie würde ihr Name über seine Lippen kommen, niemals!
    Sein Kopf war verbunden, dichte weiße Mullbinden bedeckten seine Ohren und drückten sogar die Augenbrauen hinunter. Er fühlte sich, als wäre er in einen Kokon eingehüllt – alle Geräusche waren durch die Lagen von Baumwollstoff gedämpft. Warum hatte Grant so hart zugeschlagen? Warum hatte er überhaupt zugeschlagen?
    Natürlich würde die Polizei so wenigstens keinen Verdacht schöpfen, würde keinen Anlass haben anzunehmen, dass derjenige, den die Räuber so brutal niedergeschlagen hatten, in Wirklichkeit ein Komplize war. Wenn er also kein Geständnis ablegte …
    Er dachte immer wieder an Grant, der ihn bei ihrer ersten Begegnung mit seinen kalten Augen angesehen und gesagt hatte: »Wenn irgendwas schiefgeht, wird die Polizei Sie nicht nach Ihrem Motiv fragen.« Nein, das würde sie nicht.
    Aber er selbst konnte sich nach seinem Motiv fragen. Hatte er je erwartet, damit durchzukommen, oder war es von Anfang an sein unbewusster Wunsch gewesen, geschnappt zu werden? War je realistisch zu erwarten gewesen, dass er seine Hälfte der Beute bekommen würde? Wenn er nicht einmal wusste, wohin sie mit dem Geld fahren würden, wo er sie finden konnte? Er kannte Georges Namen, die der anderen waren vermutlich falsch. Wenn George weiterhin so tun wollte, als wäre er ein gesetzestreuer Bürger, und nächsten Monat tatsächlich zu seinem üblichen Termin beim Bewährungshelfer erschien, konnte er mit ihm Kontakt aufnehmen. Aber wie gut standen die Chancen?
    Doch was spielte das schon für eine Rolle? Durch einen Infusionsschlauch lief irgend etwas in eine Vene in der linken Armbeuge; wenn er sich umbringen wollte, konnte er das sicher irgendwie mit dieser Nadel da tun. Vielleicht war er sogar imstande aufzustehen und sich aus dem Fenster dort drüben zu stürzen.
    Warte, sagte er sich. Er versuchte, die Kontrolle über seine Gedanken zu behalten und gegen die Panik, die Angst, die Schuld anzukämpfen. Warte. Warte ab, was passiert.
    Und dann trat Archibald persönlich ein, gefolgt von Dwayne Thorsen. Als Tom Archibalds selbstgefälliges, fettes Gesicht sah – Thorsens kälteres, härteres Gesicht hinter dem von Archibald nahm er kaum wahr –, bestärkte ihn dieser Anblick in dem Entschluss, nichts zu sagen. Ich werde nichts zugeben, versprach er sich. Nichts.
    Es gab nur einen Stuhl – er hatte verchromte Beine undkeine Armlehnen, und Sitzfläche und Lehne waren mit grünem Vinyl bezogen –, und natürlich nahm Archibald ihn sogleich in Beschlag und zog ihn zur rechten Seite des Betts, so dass er Tom bequem ins Gesicht sehen konnte. Sein eigenes Gesicht war eine Maske falschen Mitgefühls. Selbstverständlich war es falsch. Tom wusste, dass er William Archibalds zur Schau gestellten Gefühlsregungen nicht trauen konnte. Seine Skepsis brachte ihn jedoch nicht auf den Gedanken, hinter Archibalds Falschheit könnte irgend etwas anderes stecken als die gewöhnliche Unaufrichtigkeit, die das ganze Leben dieses Mannes bestimmte. Was Tom nicht ahnte: Diesmal diente die Täuschung dazu, die Tatsache zu verbergen, dass Archibald felsenfest von seiner Schuld überzeugt war.
    »Wie geht es Ihnen, Tom?« Salbungsvoll, einschmeichelnd, die Augen feucht vor Mitgefühl. Derweil lehnte sich Dwayne, sein Mann fürs Grobe, mit den Unterarmen auf das Fußteil des Betts, musterte Tom, als wäre er ein seltenes Tier im Zoo, und machte keinerlei Anstalten, etwas anderes zu zeigen als wie üblich kühle Gleichgültigkeit.
    »Mir geht’s nicht besonders«, sagte Tom und war überrascht, dass seine Stimme bebte. Er musste keine Schwäche vortäuschen. Keine Schwäche, keine Verwirrung. Nein, es war alles echt.
    »Dieser Kerl hat Sie wohl ziemlich böse erwischt«, sagte Archibald und nickte wissend und mit gespieltem Mitgefühl.
    »Ja, Sir.«
    »Da sieht man mal, was dabei herauskommt, wenn man mit so üblen Burschen zu tun hat«, sagte Archibald. Sein Gesicht und seine Stimme waren so routiniert teilnahmsvoll wie immer.
    Tom begriff das Gesagte nicht gleich, doch dann lief es ihm kalt den Rücken hinunter, als hätte sich dort plötzlich einEiszapfen gebildet. Seine Lippen zitterten. Tränen traten ihm in die Augen. »S-Sir?«
    »Wissen Sie, was ich glaube, Tom?« sagte Archibald und sah Tom an, als

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