Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verbrechen ist Vertrauenssache

Verbrechen ist Vertrauenssache

Titel: Verbrechen ist Vertrauenssache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
beharrte Tom. »Das ist die Wahrheit.«
    Archibald und Dwayne wechselten einen Blick. Tom wusste, dass sie einzuschätzen versuchten, ob dies tatsächlich die Wahrheit war, und er wusste auch, dass es Archibald letztlich vollkommen gleichgültig war, ob Tom all den Quatsch über die Verwendung des Geldes glaubte, all diesen nur der Wahrung des Gesichts dienenden Blödsinn über Suppenküchen und Beratungen und natürlich auch über seine eigene Arbeit mit ehemaligen Strafgefangenen. Was für ein Witz: die Arbeit mit ehemaligen Strafgefangenen. Was halten Sie jetzt von Ihren guten Werken, Reverend?
    Archibald wandte sich wieder zu Tom. »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Ihnen bei Ihren Schwierigkeiten mit der Polizei zu helfen, Tom«, sagte er. »Und ich hoffe, dass Sie im Gegenzug –«
    Er wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Archibald sah stirnrunzelnd zu Dwayne, wobei die Maske der Menschenfreundlichkeit für einen Augenblick verrutschte. Dwayne ging lautlos zur Tür, öffnete sie, sprach kurz mit jemandem auf dem Korridor, nahm ein Stück Papier entgegen und schloss die Tür wieder.
    Er kehrte zum Bett zurück und überflog dabei das Blatt, das weiß und dünn war und sich an den Kanten einrollte. Die Anspannung war Archibalds Stimme nun doch anzumerken, als er sagte: »Was ist? Haben sie die Spitzbuben gefasst?«
    »Nein«, sagte Dwayne und hielt ihm das Papier hin. Als Archibald es entgegennahm, rollte es sich ein wie eine altertümliche Schriftrolle, so dass die Szene für einen Augenblick etwas Biblisches hatte.
    Archibald entrollte das Papier und las es. Das Blut wich aus seinem Gesicht. Dieses Entsetzen war nicht gespielt. Tom starrte auf die weichen, sauberen Hände, die das Papier hielten; er brannte innerlich vor Neugier und Angst und fragte sich, ob sie ihm den Inhalt der Nachricht mitteilen würden. Und dann sah Archibald ihn an, und aus seinen Augen sprach etwas Neues, Rätselhaftes. Mitgefühl? Echtes Mitgefühl?
    Er hielt Tom das zusammengerollte Papier hin und sagte: »Das sollten Sie lesen, Tom. Es tut mir wirklich sehr leid.«
    Was in Gottes Namen konnte das sein? Angst schnürte Tom die Kehle zu, als er das Papier zitternd entrollte. Es war ein Fax mit dem Briefkopf der Polizei von Memphis, adressiert an Detective Lewis Calavecci, und die Nachricht lautete:
     
    »Mary Quindero tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Vorläufiges Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchung deutet auf Tod durch Ertrinken hin. Der Leichnam wurde in einem Kleiderschrank entdeckt. Wir erbitten weitere Einzelheiten hinsichtlich Ihres Interesses an dieser Person. Antwort erbeten an –«
     
    »NEIN!«
    »Es tut mir leid«, sagte Archibald, und diesmal klang er aufrichtig. »Haben Sie eine Ahnung, warum die das getan haben?«
    »Nein.« Tom machte eine unbestimmte Geste mit den Händen. Er konnte keinen Gedanken fassen. »Nein! Sie brauchten doch nicht … Sie wussten nicht mal von ihr, bis ich … Ich glaube nicht, dass sie wussten … Es gibt keinen Grund .«
    Beinahe flüsternd sagte Archibald: »Wer sind sie, Tom?«
    Tom ließ das Fax los. »Der eine heißt George Liss«, sagte er mit lebloser, tonloser Stimme. »Ich hab ihn als Bewährungshelfer kennengelernt …«
     
    Gegen Mitternacht verhinderte eine der Nachtschwestern Toms Selbstmordversuch. Er hatte versucht, sich die Pulsadern mit der Infusionsnadel zu öffnen. Es war ein untaugliches Werkzeug, das nur ein paar tiefe Kratzer machte, hässlich und schmerzhaft, aber keineswegs tödlich.
    Ein Bereitschaftsarzt wurde geholt, der die Wunden reinigte und verband. Den Rest der Nacht verbrachte Tom angebunden im Bett, entsetzlich wach. Er musste die ganze Zeit an Mary und die Leute denken, die sie umgebracht hatten. Warum? Warum?
    George Liss. Bitte, lieber Gott, mach, dass sie ihn finden. Mach, dass sie George Liss finden.

SIEBEN
    Als George Liss über den dunklen Parkplatz rannte, rechnete er damit, jeden Augenblick eine Ladung Schrot in den Rücken zu bekommen. Er wusste nicht, warum es schiefgegangen war, warum Parker und Mackey jetzt nicht tot waren und er die vierhunderttausend Dollar nicht hatte, aber er war kein Mann, der sich lange mit Dingen beschäftigte, die der Vergangenheit angehörten. Im Augenblick ging es nur darum zu rennen, und zwar so schnell wie möglich. Er hielt sich geduckt, um ein weniger auffälliges Ziel abzugeben, aber er rechnete bei jedem Schritt mit einem Schuss.
    Doch es kam keiner. Liss vermied es, zu

Weitere Kostenlose Bücher