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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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Hinter den Fenstern des Restaurants erschienen die Gesichter wie weiße Monde.
    Sie ließen sich los. Vielleicht war er es auch, der sie losließ. Sie versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie fror und sah Leos bleiches Gesicht, das sie durchs Fenster anschaute. Übernächtigt und ernst. Dieser Gustav war nicht zu sehen. Vermutlich war er auf der Toilette.
    Sie wollte nicht mehr reingehen, sich zu ihnen setzen und gesellig tun. Die Gemeinplätze würden ihr doch nur im Hals stecken bleiben.
    Eigentlich wollte sie nichts, am allerwenigsten nach Hause gehen.
    »Die Polizisten haben mich gebeten, ihnen eine Liste von Emmys Freunden zu geben.«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Karl etwas geistesabwesend.
    »Die Polizei wird auch am juristischen Institut vorbeischauen«, fuhr sie fort.
    »Klar«, sagte er mit tonloser Stimme.
    Er war natürlich am Boden zerstört. Er blinzelte traurig und sah über ihren Kopf hinweg auf den Platz. Dann schaute er auf sie herab.
    »Welche Namen wirst du der Polizei denn geben?«
    »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen«, sagte sie und gab ihm einen Stups. Es gelang ihr tatsächlich, einen scherzhaften Tonfall anzuschlagen. »Ich werde dich schon nicht vergessen.«

Der Junge
    D ie Sonne scheint. Die Vögel zwitschern, das sagen jedenfalls ein paar von den Mädchen aus der Klasse. Kurz und gut, Idealwetter für den letzten Schultag.
    Ich trug ein weißes Hemd. Mama hatte es für den Siebzigsten von Opa gebügelt. Wir waren dann aber nicht hingegangen. Papa hatte in letzter Sekunde abgesagt. Ich erinnere mich nicht mehr, worum es bei diesem Streit ging, aber jedenfalls fuhren wir nicht. Man begreift nur selten, worüber Papa sich aufregt. Es kann etwas x-Beliebiges sein. Aber man merkt, wenn sich etwas zusammenbraut. Das tun wir alle. Und wir richten uns danach.
    Er sagte jedenfalls zu Mama, er wolle mit seiner Familie zu Hause essen. Daran erinnere ich mich. Sie solle eine gute Flasche Wein aufmachen. Die eigene Familie sei gewissermaßen wichtiger, fand er. Dass wir zusammenhielten und uns umeinander kümmerten. Und dann tranken sie Wein, und ich erinnere mich nicht mehr richtig, was wir Kinder taten. Ich zog mir vermutlich das Hemd aus und ging nach draußen. Oder hoch in mein Zimmer.
    Verdammt, wird das schön, endlich selbst entscheiden zu können! Ich muss mich nur noch ein paar Jahre zusammennehmen. Die Mittelstufe überleben und dann das Gymnasium. Man muss stark sein. Dafür sorgen, dass einen niemand runtermacht.
    Also hat Mama Opa an jenem Tag angerufen. Er war natürlich enttäuscht. Ich glaube, dass Mama auch enttäuscht war. Obwohl sie mehrfach wiederholte, dass wir an einem anderen Tag kommen und ihn dann richtig feiern würden.
    Aber das ist nie dasselbe, so nachträglich. Manche Dinge sind einfach zu spät, da kann man sich noch so auf den Kopf stellen. Filippas Geburtstag zum Beispiel haben sie nie verpasst. Aber meinen. Letztes Jahr. Sie waren unterwegs. Papa musste auf irgendeine Konferenz und wollte Mama dabeihaben, und das war nur angenehm, fand ich und Filippa auch, sie hat ja ihren Freund oder was auch immer er ist. Aber Mama oder Papa hätten zumindest mal anrufen können. Oder mir ein Geburtstagsgeschenk mitbringen. Aber ich sagte nichts. Erinnerte sie nicht einmal daran.
    Ich glaube, Opa weiß, was los ist. Aber was soll er schon machen? Gleichzeitig findet er Papa ganz großartig. Er kann schließlich Rezepte ausstellen und gute Behandlungen empfehlen, und man kann mit ihm im Bekanntenkreis angeben. Besonders Oma ist stolz. Sie faselt die ganze Zeit davon, dass ich in Papas Fußstapfen treten soll. Und in die von Großvater, also die von Papas Vater. Bei Papas Familie handelt es sich um eine richtige Ärztedynastie. Man kann sagen, dass Mama in bessere Verhältnisse eingeheiratet hat. Auch ihre Eltern haben dadurch Zutritt in diese Kreise erhalten. Es versteht sich, dass ich ebenfalls dazugehören will. Ich will jemand werden, den alle mit Respekt behandeln. Beispielsweise kam so eine alte Schachtel in der Stadt auf meinen Vater zu und sagte, dass er sie geheilt hätte. Das war schon ganz schön beeindruckend. Papa sagte natürlich, das sei schließlich seine Aufgabe, lächelte aber über das ganze Gesicht. Das sollte wohl seine Bescheidenheit demonstrieren, aber ich sah trotzdem, dass er wie eine Sonne leuchtete. Und Mama stand neben ihm und strahlte ebenfalls.
    Heute ist also der letzte Schultag. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so nervös wie

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